Gender Pricing: Warum Frauen oft tiefer in die Tasche greifen

Frauen lieben Pink. Zumindest scheinen das Hersteller*innen von Drogerie-Produkten zu glauben. Rosa Rasierer sind nicht Neues. Dass Frauen manchmal mehr bezahlen müssen als Männer, auch nicht – aber wir reden viel zu wenig darüber.

Der Gang durch den Drogeriemarkt ist pink. Zumindest für die Frauen unter uns. Links und rechts türmen sich die pastellfarbenen Verpackungen, die verschiedene Versprechen parat haben: Es ist die Rede von „samtig weicher“ Haut und „Wohlfühlmomenten“. Alles ist „leicht und frisch“ und natürlich darf auch der eine oder andere Motivationsspruch nicht fehlen. „Du bist wundervoll! Vergiss das nie.“ Und damit das auch so bleibt, befinden sich in den Regalen hunderte Produkte, die dich vor frühzeitiger Hautalterung, Mitessern und Stoppeln an den Beinen bewahren sollen.

Fernab dieser pastellrosa Welt gibt es noch eine andere Abteilung. Die ist weitaus kleiner und auch gar nicht leicht und frisch. Für Männer schickt sich Schwarz und Blau – natürlich im Metallic-Look. Es geht um „maximale Power“ und um Produkte, die die Haut vor Wind und Regen schützen sollen. Während in der Frauenabteilungen Produkte für normale, trockene, sensible und Mischhaut angeboten werden, scheint es für Männer nur diese eine Schlecht-Wetter-Charge zu geben. Mal im Ernst: Wie viele Hauttypen haben Frauen überhaupt?

Natürlich könnte man jetzt positiv auf diese pastellrosa Welt blicken und hervorheben, dass hier wirklich für jeden Geschmack und jeden Hauttyp etwas dabei ist. Denn im Gegensatz zu der kleingehaltenen Männerabteilung ist unsere Auswahl wirklich riesig. Aber ein ganz großes Manko haben die pinken Produkte definitiv: Sie kosten mehr.

Pink: nicht immer rosig

Männer zahlen für ihre Schlecht-Wetter-Creme rund 10 Prozent weniger als Frauen für ein vergleichbares Produkt in Rosa. Die Inhaltsstoffe lesen sich dafür aber verdammt ähnlich. Bei Produkten, die frühzeitiger Hautalterung vorbeugen sollen, beträgt der Preisunterschied fast 50 Prozent. Bei Parfüm oder Einwegrasierern sieht es ähnlich aus, während Rasierschaum für Frauen auch schon mal doppelt so teuer sein kann.

Trotz ähnlicher Inhaltsstoffe, sind Hygieneprodukte, die auf Frauen zugeschnitten sind, häufig teurer. Foto: Pixabay/Andreas160578

Fachkreise nennen dieses Phänomen „Gender Pricing“ oder auch „Pink Tax“. Das heißt, dass Produkte und Dienstleistungen, die speziell auf Frauen zugeschnitten sind, teurer verkauft werden als vergleichbare Produkte und Dienstleistungen für den Mann.

Professorin Susanne Stark forscht an der Hochschule Bochum zu Genderthemen im Marketingkontext. Für sie basiert diese Ungleichheit auf einem recht simplen Grund: „Unternehmen berechnen die Preise ihrer Produkte nicht nur nach Kostengesichtspunkten, sondern auch danach, was der Nachfrager bereit ist zu zahlen. Und Frauen ist es zum Beispiel mehr Wert, ein bestimmtes Parfüm zu tragen als Männern.“

Frauen legen oftmals mehr Wert auf die Pflege ihres äußeren Erscheinungsbildes und geben dafür auch gerne mehr Geld aus. Während es in der Frauenabteilung darum geht, welche der zig Produkte die Haut nun am schönsten macht, wird den Männern erstmal in neutraler Sprache der Nutzen ihres Produkts erläutert. Nach dem Motto: Deine Haut braucht Schutz und Pflege. Creme dich ein!

Hauptsache schön

Woran liegt es, dass Frauen eine höhere Zahlungsbereitschaft mitbringen? „Das mag damit zusammenhängen, dass Frauen nach wie vor in unserer Gesellschaft stärker nach ihrem Äußeren bewertet werden als Männer“, sagt Stark. Frauen sehen also das Ideal einer perfekten Frau, die bestimmte Kleidung und einen spezifischen Haarschnitt trägt und dabei ganz bestimmte Körperpflegeprodukte verwendet. Diese Erwartungen gehen Hand in Hand mit dem Gender Pricing. Frauen lernen bereits von klein auf rosa Artikel zu kaufen. Für viele ist es die Regel, das Duschgel mit Hibiskus-Duft zu verwenden – auch wenn es sich dabei mehr um Gewohnheiten als um eine bewusste Entscheidung handelt.

Mit diesen Gewohnheiten spielen die Unternehmen und das nicht gerade transparent. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg erklärt, dass alle möglichen Tricks angewendet werden, um Gender Pricing zu kaschieren: „Es gibt Bereiche im Drogeriemarkt, in denen Frauen angesprochen werden sollen und es gibt Bereiche für Männer. Es ist nicht jeder Frau zuzumuten, nochmal in einem anderen Regal zu schauen, ob das Produkt dort nicht günstiger ist.“ Zudem kritisiert er, dass die unterschiedlichen Füllmengen dazu beitragen, dass Preisunterschiede besser kaschiert werden können. „Eine geringere Füllmenge bei Frauen kostet ungefähr so viel wie ein vergleichbares Produkt in der „Herrenabteilung“, das aber wesentlich größer ist“, sagt Valet.

Alles halb so wild?

Wie stark die Preise von Produkten und Dienstleistungen je nach Geschlecht variieren, hat eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017 herausgefunden. Das Ergebnis: Die Artikel, deren Preise nach Geschlecht differenziert wurden, machten tatsächlich nur einen geringen Anteil des Gesamtsortiments aus. Im Dienstleistungsbereich zeigten die Ergebnisse jedoch deutliche geschlechterspezifische Unterschiede, vor allem in Reinigungs- und Friseurbetrieben. So bepreiste ein Drittel der Reinigungen in Deutschland Herrenhemden und Damenblusen pauschal unterschiedlich und nur elf Prozent der Friseure boten einen gleichartigen Kurzhaarschnitt auch zum selben Preis an. Verbraucherschützer Valet fordert hier ein Umdenken: „Warum soll ein Kurzhaarschnitt für Frauen mehr kosten? Wenn Frauen tatsächlich mehr Leistung und Service wollen, ist das legitim, aber die Grundversorgung muss die gleiche sein.“

Zugegeben, in vielen Fällen verbringen Frauen vermutlich mehr Zeit beim Friseur als Männer. Vielleicht wünschen sie sich mehr Beratung oder eine Kur für gesunde Spitzen. Aber weshalb sind Frauen dazu bereit, diese zusätzlichen Kosten zu tragen? Nach einer Studie, die zwei US-amerikanische Marketing-Expert*innen 2017 durchgeführt haben, ist die Intensität der Körperpflege und die Art des Haarschnitts Teil der Geschlechteridentität. Aber: Je mehr Frauen über Gender Pricing und weiblich gestaltete Produkte wissen, desto mehr fühlen sie sich ungerecht behandelt, heißt es in der Studie.

Die Suche nach dem Schuldigen

Frauen könnten jetzt natürlich anfangen, Produkte zu kaufen, die auf Männer zugeschnitten sind. Besser wären aber Grundprodukte und Dienstleistungen, die nicht nach Geschlecht unterscheiden. „Frauen sind nicht nur aufgeklärte Konsumentinnen. Sie handeln auch irrational und sind je nach Kontext emotional beeinflussbar“, sagt Professorin Stark. „Die Unternehmen müssen sich fragen welche gesellschaftliche Verantwortung sie übernehmen wollen und wie sie sich selbst definieren. Sie müssen sich fragen, ob es in ihren Produkten wirkliche Unterschiede gibt und ob sie Gender Pricing betreiben wollen.“

Das ist aber freiwillig. Hersteller*innen und Dienstleister*innen können ihre Preise frei wählen. Ob Frauen dabei diskriminiert werden, ist nur schwer nachzuweisen, weil sie sich ja auch für den blauen Rasierer entscheiden könnten. Valet findet, dass die Politik mehr Verantwortung übernehmen muss: „Wenn Händler und Industrie Gender Pricing nicht von sich aus stoppen, muss man gesetzlich nachhelfen. Wir haben ja schon Vorbilder in den USA und in Frankreich, wo das per Gesetz verboten wurde.“

Allerdings: Gender Pricing ist nur etabliert, weil Verbraucherinnen es akzeptieren. Wenn wir ab morgen nur noch die Schlecht-Wetter-Creme kaufen und wir alle mehr oder weniger den gleichen Herrenhaarschnitt tragen würden, würde das mit Sicherheit einiges verändern. Frauen müssen sich fragen: Wollen wir diese Zusatzkosten wirklich tragen?

Aber damit sich Frauen wirklich bewusst werden können, inwiefern ihr Konsum von außen beeinflusst wird, braucht es den Diskurs. Jede*r sollte mit dem Begriff Gender Pricing etwas anfangen können. Jede*r sollte wissen, was sich dagegen tun lässt und inwieweit jede*r Einzelne selbst dafür verantwortlich ist. Denn nur dann kann auch wirklich eine mündige Entscheidung getroffen werden. Hand aufs Herz, ihr Frauen: Welche Produkte und Dienstleistungen brauchen wir wirklich?

 

Beitragsbild: Amy Shamblen/Unsplash

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