Verrat der Demokratie: Wie lange können die Republikaner*innen die Realität ignorieren?

Die Partei der Republikaner*innen muss sich entscheiden, ob sie die Beweise zum Sturm auf das Kapitol anerkennt oder ignoriert. Die Republikaner*innen tun sich schwer mit einer Entscheidung, die doch so einfach scheint: Demokratische Grundwerte oder ein Wahlsieg um jeden Preis. Ein Kommentar.

“Heute Abend sage ich meinen republikanischen Kolleg*innen, die das Unentschuldbare verteidigen: Es wird der Tag kommen, an dem Donald Trump nicht mehr da ist”, sagte Liz Cheney am Donnerstag (9. Juni) beim Auftakt der öffentlichen Anhörungen des US-Untersuchungsausschusses zum Sturm auf das Kapitol. “Aber Ihre Schande wird bleiben.” Cheney, konservative Politikerin und Vize-Ausschussvorsitzende, ist Trump-Kritikerin und eine von zwei Republikaner*innen, die den Angriff auf das Herz der amerikanischen Demokratie im Ausschuss aufarbeiten. Nur zwei von neun Ausschussmitgliedern sind Republikaner*innen. Das reicht nicht und ist ein Armutszeugnis der republikanischen Partei.

Weiterhin auf Trump-Kurs

Die beiden Republikaner*innen scheinen mit ihrer Trump-kritischen Meinung auf verlorenen Posten in ihrer Partei. Alleine gelassen und verurteilt werden sie von den Parteifreund*innen. Für ihren eigenen Regionalverband in Wyoming ist Cheney keine Republikanerin mehr. Nach der Attacke im Januar 2021 distanzierten sich zwar einige Republikaner*innen von Trump. Doch davon ist nicht mehr viel zu spüren. Die Republikaner*innen sind wieder voll auf Trump-Kurs. Der Ex-Präsident kommt viel zu gut in der Basis an, als dass sie sich von ihm lossagen könnten – oder eher wollen. Macht ist ihnen wichtiger als die Demokratie, für die sie stehen sollten.

Erste öffentliche Anhörung zur Kapitol-Erstürmung liefert neue Erkenntnisse

Am 6. Januar 2021 hatte ein Mob das Kapitol in Washington DC gestürmt und dabei über hundert Menschen verletzt und fünf getötet. Die Hauptschuld für den Angriff sieht der Untersuchungsausschuss bei Trump. Bei dessen Anhängerschaft trifft dies jedoch auf taube Ohren. Im Vorfeld hatten sich die Republikaner*innen heftig gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gewehrt. Die Spitze der Partei wollte einer neutralen Untersuchung nicht zustimmen. Nur zehn Republikaner*innen stimmten nach eindeutiger Beweislage für eine Amtsenthebung Trumps. Es gilt der Grundsatz: Politik in Trumpstil, ihn raushalten, aber bloß nicht verärgern  – gerade jetzt vor den Kongress- und Gouverneurswahlen im Herbst.

Macht um jeden Preis

Trump unterstützt diejenigen, die bedingungslos für ihn sind und seine Narrative vertreten. Dabei ist ihnen völlig klar, dass er mutwillig die Demokratie lahmlegen wollte. Doch die Chance auf Macht erscheint vielen zu verlockend.

Wie lange sie das jetzt aber noch durchhalten können, ist fraglich.  Denn ganz oben an der Spitze wackelt die Loyalität. Trumps Wegbegleiter*innen und einzelne Familienmitglieder sagen jetzt vor dem Ausschuss öffentlich als Zeug*innen aus. Sein früherer Justizminister William Barr bezeichnete die Wahlfälschungen öffentlich als “bullshit”. Selbst seine Tochter Ivanka Trump sagt, dass sie nicht an einen Wahlbetrug glaubt. Eine Schmach für den Ex-Präsidenten, der immer noch an seiner widerlegten Theorie der gestohlenen Wahl festhält. 

Der Fall McCartney

Vier Tage nach dem Sturm auf das Kapitol überlegte der republikanischen Minderheitsführer Kevin McCartey noch, ob er Trump zum  Rücktritt auffordern sollte. Laut einem Telefonmitschnitt sagte er damals: “Niemand kann das verteidigen und niemand sollte das verteidigen.”

Diese Auffassung hat er aber längst hinter sich gelassen und ist wieder voll auf Trump-Kurs. Es war eine Überlegung, die er heute scheinbar nicht mehr für karriereförderlich hält. Zunächst bestritt  McCartney seine damaligen Aussagen bei Twitter. Dann veröffentlichte die New York Times die Audiodatei. Seine Reaktion blieb aus. Die Beweise haben ihn wahrhaftig sprachlos gemacht. Die wahren Gedanken und Meinungen kommen ans Licht.

Der Fall McCartney kann ein erster Wegweiser dafür sein, wie es vielen führenden Republikaner*innen nach dem Ende der öffentlichen Anhörungen gehen könnte: Die Beweise sind einfach zu erdrückend, um weiterhin auf Trumps Erfolgswelle mitschwimmen zu können. Wenn sie weiterhin für Demokratie stehen wollen, müssen sie sich gegen ihn wenden und damit auch gegen einen großen Teil ihrer Wählerschaft. Auch ihnen dürfte bewusst sein, dass Trump nicht ewig da sein wird. Sie müssen sich jetzt von Trump distanzieren und damit auch von den Proud Boys, QAnon und den ganzen andere Verschwörungstheoretiker*innen. Kurz gesagt: von Trumps treuester Wähler*innenschaft. Die Republikaner*innen müssen sich gegen die Schande und für die Demokratie entscheiden, auch wenn ihnen das Stimmen kosten könnte.

Foto: Jon Tyson, Unsplash

 

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