Kommentar: Wenn wir den Bären wollen, müssen wir uns vorbereiten

Bald könnte es auch in Deutschland wieder Braunbären geben. Eigentlich eine gute Nachricht. Aber wir sind nicht ausreichend darauf vorbereitet und das könnte vor allem für die Tiere ein böses Ende nehmen. Ein Kommentar.

Deutschland gilt laut Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) als Bärenerwartungsland. Das bedeutet, es ist nicht unwahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren Braunbären nach Deutschland einwandern könnten. Immerhin gibt es laut offiziellen Schätzungen mehr Bären in Europa als Wölfe. Und auch ganz in der Nähe wie in Norditalien oder Slowenien ist die Zahl der Tiere stabil.

Naturschutz schön und gut, aber die Tiere müssen sich auch benehmen können

Vor über 170 Jahren haben wir die letzten Braunbären aus Deutschland vertrieben. 2006 gab es dann ein kurzes Comeback: Ein Braunbär mit dem Namen Bruno ist aus Italien über Österreich nach Bayern gewandert und hat in den Medien für viel Aufsehen gesorgt.

Erstmal war es eine große Sensation. Der erste Bär in Deutschland nach so langer Zeit, da haben sich natürlich alle sehr gefreut. Aber dann hat Bruno angefangen, Schafe und Vögel zu töten. Deshalb wurde er trotz Protest vieler Tierschützer auf Beschluss der Landesregierung Bayern erschossen.

Es ist schon ein deutliches Zeichen, dass wir den ersten Bären seit 170 Jahren nach nur 40 Tagen Besucherzeit erschossen haben. Besonders nachdem der damalige Sprecher des Umweltministeriums in Bayern, Roland Eichhorn, zuvor sagte, der Bär sei ein “willkommener Gast”. Aber ein paar Wochen Vorlaufzeit sind sehr kurz, um sich auf ein Raubtier vorzubereiten, mit dem hier zu Lande keiner wirklich Erfahrung hat. Wenn wir einen Plan für diesen Fall gehabt hätten, wäre es vielleicht anders gelaufen. Deshalb hat sich Bayern danach an einen Managementplan für weitere Einsiedlungen gesetzt.

Der Managementplan im Überblick

– Generell: nur Handlungsempfehlungen, jeder Fall muss von “Bärenfachleuten mit entsprechender Erfahrung” einzeln überprüft werden.

– Bär ist zwar streng geschützt, Sicherheit des Menschen hat aber Priorität.

– Jede Begegnung von Bär und Mensch, bei der der Bär nicht sofort flüchtet, ist als kritisch bis sehr gefährlich einzustufen. Sobald ein Tier in Siedlungsgebiete oder Ställe in Hausnähe eindringt, sollte es vertrieben werden. Falls das mehrmals nicht gelingt, wird empfohlen, es zu „entfernen“.

– Wie genau Bären vertrieben oder entfernt werden sollen, wird nicht beschrieben.

– Ausgleichszahlungen sind zwar aufgeführt, Präventionsmaßnahmen seien aber nicht sinnvoll. Es würde sich aus Kosten-/ Nutzen-Gründen nicht lohnen, Maßnahmen wie zum Beispiel Sicherheitsmaßnahmen für Nutztiere und Bienenstöcke schon flächendeckend umzusetzen.

Dieser Plan wurde seit 2007 nicht mehr bearbeitet und wirkt wie eine Panikreaktion. Nachdem es um Bruno so viel Trubel gab, musste die Regierung zeigen, dass sie sich um das Thema kümmert. Nur schade, dass sie sich sehr detailliert darauf geeinigt hat, einfach weiterhin genauso vorzugehen wie bisher. Sobald ein Bär dem Menschen unangenehm nahe kommt, soll er vertrieben oder abgeschossen werden. Es ist klar, dass der Schutz der Menschen eine zentrale Rolle spielen muss. Aber wir müssen damit rechnen, dass sich wilde Tiere nicht immer so verhalten, wie wir es uns wünschen.

Es mache laut dem Bericht noch keinen Sinn, flächendeckende Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Aber wann genau wollen wir die „vorbeugenden Maßnahmen“ dann umsetzen? Sobald eine große Zahl an Braunbären bereits für einen längeren Zeitraum in Deutschland lebt und erste Tiere erschossen werden mussten? Immerhin wurde im Juni wieder ein Braunbär in Österreich gesichtet, nur etwa 20 Kilometer von der Grenze zu Bayern entfernt. Und Erfahrungen aus anderen Ländern haben gezeigt, dass die Schäden durch Bären sehr viel vielseitiger sind als bei anderen Raubtieren, weil sie zum Beispiel auch Bienenstöcke und Obstgärten betreffen können. Wenn wir für solche Fälle keine Maßnahmen treffen, wird es in Zukunft Probleme geben.

Wir brauchen einen länderübergreifenden Plan

Besonders schwierig wird es dadurch, dass die Bundesländer bei dem Thema eigenverantwortlich sind. Laut BfN können sie selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Wildtiermanagement umsetzen. Dass das problematisch sein kann, wurde in der Vergangenheit schon beim Wolf deutlich. In allen Bundesländern mit etablierten Wolfsvorkommen gibt es staatliche Zuschüsse für den Herdenschutz von kleineren Nutztieren. Doch laut einer bundesweiten Schadenstatistik vom BfN finden die meisten Angriffe dort statt, wo Wölfe sich neu angesiedelt haben und die Tierhalter nicht darauf eingestellt waren. Besonders die Länder, die noch keine Erfahrung mit dem Wolf haben, sollten sich schon darauf vorbereiten. Sonst beginnt jedes Mal wieder der gleiche Kreislauf.

Es ist logisch, dass sich Wildtiere früher oder später ausbreiten. In Europa haben Bären ein Streifgebiet von bis zu 1.600 Quadratkilometern. Deshalb ist ein länderübergreifender Plan die einzig logische Lösung und genau das fordert auch der NABU. Wieso sollte es Ländersache sein? Ländergrenzen gelten für Tiere nicht. Es sollte nicht nur Empfehlungen, sondern Regeln dafür geben, ab wann ein Tier abgeschossen werden darf und die müssen für ganz Deutschland gelten.

Beitragsbild: Jessica Weiller/ Unsplash

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1 Kommentare

  1. says: D. Seiler

    Hallo, Sie haben sich Mühe gegeben, aber hier fehlt etwas Hintergrund. “Finden die meisten Angriffe dort statt, wo Wölfe sich neu angesiedelt haben und die Tierhalter nicht darauf eingestellt waren. ”
    Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Beispiel: wir sind hier genau zwischen den drei ersten bekannten Rissen. Zuschüsse gibt’s keine für Schutzmaßnahmen.
    Der Wolf in Bad Wildbad konnte innerhalb eines halben Jahres zweimal nachgewiesen werden und hat sich damit quasi wohnhaft gemeldet. Hier sind Durchzügler. Zwar sind zehn Durchzügler zehn Wölfe, aber solange die keinen Meldezettel ausfüllen, nix zu wollen. Soll heißen: bis zum Nachweis residenter Wölfe können die sich austoben bei Tierhaltern, die sich weitere Maßnahmen nicht leisten können. Die kleineren Halter gehen ohnehin leer aus.
    In Frankreich und Spanien kann man sich auch über die Erfahrungen mit Bären informieren. NICHTS rettet die Weidetiere! Wie stark das Weidezaungerät auch sein mag, das nehmen die Bären als leises Kitzeln wahr.

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