Warum ist mobiles Datenvolumen in Deutschland so teuer?

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Diese Nachricht, die dich auf Surfgeschwindigkeit des letzten Jahrtausends zurückwirft, bekommen Handynutzer in Deutschland vergleichsweise viel zu früh.

Dein Smartphone bietet dir ein immer vielfältigeres Unterhaltungsprogramm – vorausgesetzt, du hast Internet. Damit dein Datenvolumen den Monat übersteht, locken Zero-Rating Angebote mit unbegrenzten Streamingangeboten. Was zunächst gut klingt, könnte aber zu Preiserhöhungen und sogar zu einem Zwei-Klassen Internet führen.

Streamst du unterwegs Filme oder Musik, vergeht die Zeit wie im Flug – genau wie dein mobiles Datenvolumen. Wenn Du den restlichen Monat nicht auf dem technischen Stand des letzten Jahrhunderts verbringen willst, bleibt dir keine Wahl: Du musst neues Datenvolumen kaufen – zu fast schon unverschämten Preisen. Dabei ist mobiles Internet in Deutschland ohnehin überteuert: In den meisten EU-Ländern gibt es unbegrenzte Flatrates für den Preis, den wir für 6 Gigabyte bezahlen – teilweise sogar günstiger. Das zeigt der Digital Fuel Monitor der Managementberatung rewheel.

Warum ist mobiles Datenvolumen in Deutschland so teuer?

Ein naheliegender Grund für die vergleichsweise hohen Mobilfunkpreise in Deutschland ist die Anzahl der Anbieter. Während Du in Deutschland mit Telekom, Vodafone und O2 nur zwischen drei Netzbetreibern wählen kannst, gibt es in Ländern, in denen unbegrenzte Flatrates verfügbar sind, meist vier oder mehr Netzbetreiber, so beispielsweise in Frankreich oder den Niederlanden.

Die Deutsche Telekom begründet die unterschiedlichen Tarif- und Preisniveaus in Europa mit „wirtschaftlichen und geografischen Rahmenbedingungen“. Die Landesgröße und die landschaftlichen Gegebenheiten Deutschlands hätten zu hohen Investitionskosten beim Auf- und Ausbau des Mobilfunknetzes geführt. Durch das große Netz entstünden im Vergleich zu anderen EU-Ländern hohe Instandhaltungs- und Unterhaltskosten, so die Telekom. Wer aber unterwegs Filme oder Musik streamen möchte, dem  ist damit nicht geholfen.

Zero-Rating: Eine Alternative zur unbegrenzten Flatrate?

Der Verbrauch an mobilem Datenvolumen ist in den letzten zehn Jahren rasant gestiegen. Die höhere Nachfrage können und wollen Mobilfunkanbieter nicht ignorieren. Sogenannte Zero-Rating Angebote ermöglichen Kunden seit diesem Jahr unterwegs bestimmte Dienste und Apps zu nutzen, ohne dabei Datenvolumen zu verbrauchen. In Deutschland gibt es aktuell Zero-Rating Angebote von der Telekom und Vodafone.

Das Zero-Rating Angebot der Telekom
Telekomkunden können seit April 2017 mit „StreamOn“ bestimmte Musik-Apps nutzen, ohne Datenvolumen zu verbrauchen. Das Angebot ist kostenlos – vorausgesetzt man hat einen Vertrag der Tarifstufe M für rund 38 Euro monatlich abgeschlossen. Wer auch unbegrenzt  Videos streamen möchte, braucht die teurere Tarifstufe L für rund 46 Euro im Monat.
Das Zero-Rating Angebot von Vodafone
Vodafone bietet mit „Vodafone Pass“ seit Ende Oktober 2017 ein Zero-Rating Angebot an – beginnend ab einem Tarif zum Preis von 35 Euro monatlich. Hat man einen Vertrag dieser Preisklasse, kann man zwischen dem Chat-, Social-, Music- oder Videopass wählen. Wer einen weiteren Pass möchte, kann ihn ab 5 Euro dazu buchen.

Mit mindestens 35 Euro pro Monat liegen beide Angebote jedoch nicht in der Preisklasse von Studenten, auch von einer Art unbegrenzten Flatrate kann nicht die Rede sein. Laut der Telekom wird StreamOn bereits von mehr als 500.000 Kunden genutzt, vor allem bei jungen Leuten seien die Angebote sehr beliebt.

Gibt es bald ein Zwei-Klassen-Internet?

Viele Verbraucherschützer sehen in Zero-Rating Angeboten allerdings eine Gefahr für die Konsumenten. Für sie sind Zero-Rating Angebote nicht mit der Netzneutralität, also der Gleichbehandlung aller Daten im Internet, vereinbar: „Bei Zero-Rating Angeboten besteht die Gefahr, dass einzelne Anbieter einen Wettbewerbsvorteil erhalten“, das könne die Angebotsvielfalt stark einschränken, heißt es aus der Verbraucherzentrale NRW. „Absolut jeder kann unser Partner werden“, weist ein Sprecher der Telekom diesen Vorwurf zurück. Über 100 große und kleine Partner würden das verdeutlichen.

Stefan Fritz ist Gründer und Geschäftsführer von synaix, einem IT-Unternehmen, das Unternehmensberatung unter anderem in den Bereichen Softwareentwicklung und Datensicherheit anbietet. Der Experte für digitale Plattformen sieht in Zero-Rating Angeboten „ein geschicktes Instrument der Mobilfunkkonzerne, um Konsumenten zu locken.“ Die Angebote StreamOn und Vodafone Pass seien „teuflisch gut verpackt“ – der scheinbare persönliche Vorteil locke, die Angebote zu nutzen, „langfristig schwächen die Verbraucher jedoch ihre eigene Position“, so Fritz.

Experte Stefan Fritz im Interview über Zero-Rating Angebote
Stefan Fritz, Gründer und Geschäftsführer von synaix, ist Experte für digitale Plattformen

Telekoms Datentarif StreamOn muss verändert werden, da die Bundesnetzagentur die ungleiche Behandlung von Audio- und Videodiensten als Verletzung der Netzneutralität ansieht. Sollte man solche Angebote generell verbieten?

Das hängt von der Frage ab, ob wir als Verbraucher durch das Gesetz vor allem geschützt werden müssen, oder noch selber Verantwortung tragen dürfen. Ist der Verbraucher selbst verantwortlich, dann dürfte er ein Zero Rating Angebot nicht nutzen. Wenn wir sagen, dass die Legislative verantwortlich ist, sollte diese nun eingreifen und Zero Rating verbieten. Denn die Zero Rating Angebote StreamOn und Vodafone Pass sind teuflisch gut verpackt: Der scheinbare persönliche Vorteil lockt, die Angebote zu nutzen – langfristig schwächen die Verbraucher jedoch ihre eigene Position. Deshalb würde ich ihnen empfehlen, sie nicht zu nutzen, sollten sie weiterhin erlaubt sein.

Ist Zero-Rating nicht einfach nur eine Weiterentwicklung des Marktes? Immerhin können Verbraucher jetzt genau wählen, welche Angebote ihnen wichtig sind. 

Nein, Zero-Rating ist ein geschicktes Instrument der Mobilfunkkonzerne, um Konsumenten zu locken. Deutschland gehört zu den Ländern mit den höchsten Tarifkosten weltweit – eine fortschrittliche Marktentwicklung wäre beispielsweise eine Erhöhung des Datenvolumens zu gleichen Preisen bzw. eine Preissenkung für dieselbe Leistung.

Durch den Wegfall der Roaminggebühren brechen den Konzernen Gewinne weg. Sollen Zero-Rating Angebote das Kompensieren?

Natürlich sind Zero-Rating Angebote gewinnorientiert. Die Anbieter können Gebühren nicht nur von den Konsumenten, sondern auch von den Dienstleistern verlangen, deren Datenverkehr nicht auf das Datenvolumen der Nutzer angerechnet wird.

Tatsächlich scheinen deutsche Mobilfunkkonzerne mit Zero-Rating eine Strategie gefunden zu haben, mit der sie die Markteinführung von unbegrenzten, günstigen Flatrates hinauszuzögern. Zero-Rating ist nämlich nur dann interessant, „wenn normales Datenvolumen vergleichsweise teuer ist“, so die Verbraucherzentrale NRW. Für Zero-Rating Anbieter gebe es also keinen Anreiz, Datenvolumen in Zukunft günstiger zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil: Laut der Verbraucherzentrale werde ein Preisanstieg mit zunehmender Nutzerzahl immer wahrscheinlicher. Würden andere Anbieter ebenfalls Zero-Rating anbieten, wäre dies „der Einstieg in ein zwei-Klassen-Internet“, so die Verbraucherzentrale weiter. Nutzer, die sich keine teuren Verträge leisten können, würden besonders benachteiligt.

Gibt es Tricks, um die hohen Mobilfunkgebühren zu umgehen?

Wenn es fast überall billiger ist, und seit 2017 EU-weit keine Roaming-Gebühren mehr anfallen, könnte man sich dann nicht einfach eine polnische oder niederländische SIM-Karte mit unbegrenzter Flat kaufen? Die Antwort ist schlicht: Nein. In einer Stellungnahme der EU-Kommission heißt es: „Die von der Kommission vorgeschlagenen Entwürfe für faire Nutzungsregeln beruhen auf dem Grundsatz des Wohnsitzes“. Das bedeutet im Klartext: Roaming ist nur für Reisende gedacht, ein EU-weiter Wettbewerb unter Mobilfunkanbietern soll nicht entstehen.

Wir müssen uns also mit den gegebenen Mobilfunkpreisen und den Zero-Rating Angeboten zufriedengeben. Wer allerdings um jeden Preis eine unbegrenzte Flatrate haben möchte, wird auch in Deutschland fündig: „Mit MagentaMobil XL Premium bietet die Telekom einen Tarif mit unbegrenztem Highspeed-Volumen und Top-Endgerät an“, so die Telekom. Der Preis? 199,95 Euro im Monat.

Teaser- und Beitragsbild: JESHOOTS/Pixabay, lizenziert nach Creative Commons

Bearbeitung: Lukas Schmitt

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