Jusos und Junge Union: Brauchen wir ein Paritätsgesetz?

In Berlin streitet die Groko um Entscheidungen, die bestimmen, wie wir in Zukunft leben werden. Was sagen die jungen Mitglieder der Parteien zu den Streitthemen? KURT hat zwei junge Dortmunder Politikerinnen an einen Tisch voller Themen gesetzt.

Sarah und Indra sind als Frauen in der Politik in einer deutlichen Minderheit: Im deutschen Bundestag sitzen 31,3 Prozent Frauen – im NRW-Landtag sind es nur 27,1 Prozent. Der Dortmunder Stadtrat ist mit 39,9 Prozent Frauenanteil dafür schon einer der weiblichsten in NRW.

Um den Frauenanteil zu erhöhen, hat der Landtag in Brandenburg beschlossen, ein Paritätsgesetz einzuführen. Parität bedeutet “zahlenmäßige Gleichheit”. Das Gesetz soll also dafür sorgen, dass bei Wahlen genauso viele Listenplätze an Frauen vergeben werden wie an Männer.

Seitdem machen sich auch Frauen aus verschiedenen Fraktionen in anderen Parlamenten für ein Paritätsgesetz stark. Einige Parteien besetzen ihre Listen schon paritätisch oder haben Frauenquoten eingeführt, wie unter anderem die SPD und die Grünen. Es gibt aber auch Kritik, vor allem aus Union und AfD. Die Kritiker meinen, ein Paritätsgesetz stehe im Widerspruch zu den Wahlgrundsätzen der Verfassung.

In anderen Ländern wie Frankreich gibt es ein Paritätsgesetz bereits. Wenn die Parteien dort die Wahllisten nicht abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen, erhalten sie als Bestrafung weniger staatliche Unterstützung. Doch hier sagen Kritiker, das Gesetz führe gar nicht zu mehr Gleichstellung, sondern werde geschickt ausgenutzt. Denn es werden nun absichtlich Frauen aufgestellt, die eher als chancenlos gelten. Oft werden sie – wenn sie überhaupt gewählt werden – schnell wieder abgewählt und ausgetauscht. Letztendlich sitze daher trotzdem wieder eine männliche Mehrheit in den Parlamenten.

Immer mehr Frauen und auch Männer verschiedener Parteien sprechen sich für ein Paritätsgesetz aus, zum Beispiel für den Bundestag. Was ist eure Meinung dazu?

Sarah: Gute Frage. Möchtest du anfangen, Indra?

Indra: Gerne. Ich find das gut. Denn ich finde, dass ein Parlament in irgendeiner Weise die Gesellschaft wiederspiegeln sollte, aus der es entsteht – und nicht die Parteienlandschaft. Wir wissen alle, dass sich in Parteien deutlich weniger Frauen als Männer engagieren. Und je weiter man ins konservative Spektrum geht, desto größer wird der Unterschied. Trotzdem zeigen auch Beispiele aus der Arbeitswelt oder aus meinem politischen Alltag, dass Entscheidungen sich verändern, sobald 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer da sitzen. Wenn dort nur 20 Prozent Frauen sitzen und über Themen, wie Paragraf 219a geredet wird, ist das einfach zu wenig. Deswegen bin ich großer Fan vom Paritätsgesetz.

Sarah: Du hast ja gerade schon gesagt, dass ein Parlament immer möglichst die Gesellschaft wiederspiegeln sollte. Das sehe ich auch so. Ich glaube, dass kein Parlament der Welt die Gesellschaft bisher adäquat abgebildet hat. Wenn man allein auf die Berufe schaut, sitzen da momentan noch viel zu viele Juristen und Lehrer im Parlament. Da gäbe es also viele Stellschrauben. Als Jugendpartei versuchen wir ja auch immer, dass wir junge Leute pushen. Wenn ich so auf den Anteil der Frauen in der CDU und der Frauen, die Mandatsträgerinnen sind, gucke, ist es da aber adäquat abgebildet.

Sarah Beckhoff

  • Kreisvorsitzende der Jungen Union Dortmund
  • 24 Jahre alt
  • studiert VWL
  • Seit 10 Jahren bei der JU
Indra Paas
  • Kreisvorsitzende der Jusos Dortmund
  • 26 Jahre alt
  • Sozialarbeiterin
  • Seit 10 Jahren bei den Jusos

Bist du deshalb gegen ein Paritätsgesetz?

Sarah: Ich bin vor allem aus dem Grunde gegen so ein Paritätsgesetz – auch entschieden dagegen, weil mir noch kein Jurist glaubwürdig sagen konnte, dass das irgendwie mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Mit den Grundsätzen, die für eine freie, anonyme Wahl gelten. Und ich mache als CDUlerin einfach keine Dinge, die verfassungswidrig sind. Daher ist für mich klar, dass es so ein Paritätsgesetz auf keinen Fall geben darf. Ich beobachte das momentan auch mit Argwohn, dass sich irgendwelche Frauengruppen überfraktionell im Bundestag treffen und werde alles tun, das zu verhindern. Das ist eine Richtung, die meiner Meinung nach gar nicht geht.

Denkst du denn, dass es mehr Frauen in der Politik braucht?

Sarah: Wir müssen gucken, dass wir mehr Frauen in die Parteien bekommen, da engagiere ich mich auch selbst für. Das haben wir ja auch über die Jahre in kleinen, stetigen Schritten geschafft: Wenn man sich den Bundestag von 1960 anguckt und den heute, sitzen da natürlich deutlich mehr Frauen drin. Jetzt durch die AfD ist das wieder stagniert. Aber auch die gucken, glaube ich allein schon aus marketingtechnischen Gründen, dass sie Frauen in Positionen bringen. Von daher wäre das dann einfach das Mittel der Wahl.

Eure gegensätzlichen Meinungen spiegeln ganz gut die überwiegenden Meinungen in euren Mutterparteien CDU und SPD wieder. Was meint ihr denn, wie man beim Thema Parität als Koalition einen Kompromiss finden kann?

Indra: Da gibt’s keinen Kompromiss.

Sarah: Entweder Gesetz oder kein Gesetz. Dazwischen geht es nicht.

Indra: Und zu einem bestimmten Punkt sind wir uns ja auch einig. Also wenn 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen in die Parteien eintreten würden…

Sarah: …dann wären wir ziemlich zufrieden.

Indra: Ja, natürlich. Wenn ich bei einem Netzwerktreffen abends nicht mehr die einzige Frau in der Kneipe sein muss, wäre das schon schön. Wenn man sich die Eintritte in unsere Partei anguckt, ist es schon besser geworden, seitdem ich Vorsitzende bin. Aber es ist halt super schwierig, wenn man sich die politische Landschaft anguckt. Dann reden wir häufig über Andrea Nahles und Angela Merkel. Wie viele Frauen gibt’s dann sonst noch, die da wirklich eine Rolle spielen?! Man muss wirklich daran arbeiten, damit das besser und vor allem anders wird.

Sarah: Ja, wir haben auch zu wenig Frauen in der JU und in der CDU. Und Frauen brauchen eben auch Vorbilder. Naja Vorbilder ist etwas krass gesagt –.

Indra: Frauen, die es auch machen.

Sarah: Ja genau, mit denen man sich identifizieren kann. Ich glaube, Männer würden eher selten irgendwo dort hingehen, wo es nur Frauen gibt, die Cupcakes essen und Kaffeekränzchen machen. Genauso wenig gehen 14-jährige Mädels zum JU-Stammtisch, wenn sie sehen, die sitzen in der Kneipe, trinken Bier und essen – keine Ahnung…

Indra: Haxe.

Sarah: (lacht) Ja genau, das setzt ja schon starkes politisches Interesse voraus, sagen wir mal so. Ich glaube, gerade das Thema Gleichstellung von Männern und Frauen ist schon elementar.

Wie, wenn nicht über ein Paritätsgesetz, kann man einen höheren Frauenanteil erreichen?

Sarah: Wir haben in der JU Mentoring-Programme, die helfen, dass Frauen, die schon in der JU sind, Vorbilder finden, Netzwerke aufbauen… Das wäre auch die Schiene, die ich gehen würde. Und vor allen Dingen auch andere Veranstaltungsformate. Wie du schon sagtest, Nahles und Merkel. Das ist ja alles schön, wir haben auch genug Ministerinnen so gesehen. Aber wir brauchen einfach auch einen starken Mittelbau, der gleichwertig paritätisch besetzt ist. Aber das geht nicht von heute auf morgen.

Indra: Veranstaltungsformate sind auch eine Sache, mit der wir uns befassen müssen: Es gibt Menschen, meistens sind es immer noch die Frauen, die ihre Kinder abends ins Bett bringen und daher nicht bis 22 Uhr an Sitzungen teilnehmen können. Im Ortsverein haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, uns schon um 18 Uhr zu treffen und dafür nur bis 20 Uhr zu tagen, damit alle danach noch eine Chance haben, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Das gibt Frauen auch die Sicherheit, zu wissen: Ich muss nicht andere Dinge vernachlässigen, um in einer Partei aktiv zu sein.

Beitragsbilder: Pia Stenner 

Video: Pia Stenner und Madlen Gerick

Das war der dritte Teil unserer fünfteiligen GroKo-Serie. In dem kommenden zwei Wochen werden wir an dieser Stelle jeden Samstag noch zwei weitere Streitthemen der Regierungsparteien thematisieren. Das war bereits dran: 

Ein Beitrag von
Mehr von Pia Stenner
Schlechte Noten fürs Fahrradfahren in Dortmund
Dortmund liegt bei der Fahrradfreundlichkeit im bundesweiten Ranking weit unten. Das ist...
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert