Gesundheits-Apps auf Rezept – bringt das was?

Gesundheitsminister Jens Spahn wünscht sich die App auf Rezept. Ärzte könnten ihren Patienten Gesundheits-Apps verschreiben – die Krankenkassen würden zahlen. Ist das die Zukunft der Gesundheitsversorgung oder ein Hype der Digitalisierung?

Mit einem neuen Gesetzesentwurf des Gesundheitsministeriums will Jens Spahn die Gesundheitsversorgung digitaler machen. Ärzte sollen dafür bezahlt werden, wenn sie eine digitale Krankenakte führen, auch das Angebot der Online-Sprechstunden soll einfacher zugänglich werden. Außerdem sollen Ärzte künftig nicht nur Medikamente verschreiben können, sondern auch Apps – bezahlt von der Krankenkasse. Das Bundeskabinett hat den Entwurf heute beschlossen.

Zahlreiche Firmen und Pharmakonzerne bieten inzwischen Gesundheits-Apps für das Smartphone oder Tablet an. Sie sollen helfen, die Gesundheit des Nutzers zu überwachen, oder zu unterstützen. Zum Beispiel bei chronischen Krankheiten, Medikamenteneinnahme, der Familienplanung – oder einfach so, zur Überwachung des Schlafs, der Fitness oder der Ernährung. Experten schätzen die Anzahl der Angebote auf etwa 100.000, schreibt das Wissens-Magazin Quarks & Co.

Viele Krankenkassen haben schon jetzt den Weg in den App-Store geschafft. Mit der App Vivy können rund 13,5 Millionen Kunden von über 30 privaten und gesetzlichen Krankenkassen ein digitales Gesundheitsprofil erstellen. Darin eingespeist werden dann Informationen über verschriebene Medikamente, Krankheiten, und auch Unverträglichkeiten und Allergien. Die App kann dann zum Beispiel vor Wechselwirkungen von Medikamenten warnen. Auch bei einem Umzug oder Arztwechsel soll die App einer neuen Praxis bei der Aufnahme des Patienten helfen.

Keine Prüfung für neue Apps

Datenschützer kritisieren dabei besonders das Risiko von Sicherheitslücken. Zwar heißt es laut den Vivy-Entwicklern, dass die Anwendung geprüft und Ende-zu-Ende verschlüsselt sei, trotzdem hat eine IT-Firma offenbar schon eine Sicherheitslücke in der App entdeckt, berichtete die Zeit. Die Firma fand gleich mehrere Stellen in dem System der App, an denen sich Unbefugte hätten Zutritt verschaffen können.

Fünf beliebte Gesundheitsapps

1 The Wonder Weeks

Die beliebteste Gesundheits-App im AppStore begleitet Frauen in der Schwangerschaft. Nutzerinnen können den Fortschritt der Schwangerschaft und die Entwicklungsschritte des Babys verfolgen. Kosten: 4,49 Euro.

2 Life Advisor

“Lerne dein verstecktes Selbst kennen”. Damit wirbt diese App, die Tests in Hinblick auf Alterung, Geschlechtsveränderungen und soziale Fähigkeiten anbietet. Nach eigenen Angaben arbeitet die App mit renommierten Psychologie und AI-Teams zusammen, um detailliert Analysen zu liefern.

3 Flo Perdio + Ovulation Tracker

Diese App kann bei der Familienplanung helfen. Frauen können damit ihren Zyklus überwachen. Die App kann dann ungefähr voraussagen, wann der Eisprung stattfinden wird, und damit die furchtbaren Tage.

4 Runtastic

Diese App trackt das Joggen und Fahrradfahren und soll helfen, Fitness-Ziele zu erreichen. Gleichzeitig fungiert die Anwendung als Soziales Netzwerk, um sich mit anderen Sportlern zu vernetzen.

5 Calm

Besser schlafen, gedanklich runterfahren: Dabei kann Meditation helfen. Diese App gibt Anleitungen zum erfolgreichen Meditieren und einfacherem Einschlafen.

Das Problem: Bisher gibt es kein einheitlichen Prüfverfahren. Laut dem Telemedien-Gesetz müssen neue Anwendungen keine staatliche Zulassung erwirken, schreibt das Wissensmagazin Quarks & Co. Der Gesetzesentwurf von Jens Spahn sieht dabei einen neuen Zulassungsweg vor. “Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft in einer ersten Stufe Sicherheit, Funktion, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit der Produkte,” heißt es in dem Gesetzesentwurf. Der Hersteller muss dann binnen eines Jahres nachweisen, dass seine App die Versorgung verbessert. Solange sollen die Krankenkassen die Kosten für das Angebot übernehmen. Dieser Prüfweg gilt dann aber nicht für alle Gesundheits-Apps, sondern nur für Medizinprodukte. Letztere richten sich an bestimmte Patientengruppen und erheben den Anspruch gegen Krankheiten wirksam zu sein, zum Beispiel zur Überwachung von Diabetes. Die App Vivy wurde nach eigenen Angaben durch den TÜV geprüft.

Die TU Kaiserlautern hat mit “Stress-Mentor” eine App für das Stressmanagement entwickelt. Im Zuge des Projekts ist bei einer Marktanalyse aufgefallen: “Bei den zahlreichen Angeboten schwankt die Qualität der Apps Stark. Sowohl hinsichtlich technischer Aspekte, als auch bei den Informationen,” sagt Corinna Faust-Christmann, die an dem Projekt mitgearbeitet hat. Daher sei es schwierig ein Urteil über den generellen Nutzen solcher Apps zu fällen. Generell können Gesundheits-App aber besonders dort nützlich sein, wo die sonstige medizinische Versorgung eher schlecht ist – auf dem Land zum Beispiel. “Die Wartezeit auf einen Termin könnte so dann sinnvoll genutzt werden,” sagt Faust-Christmann.

Wirksamkeit nicht nachgewiesen

Fraglich ist jedoch noch, ob die Apps letztendlich tatsächlich Krankheiten erkennen und bei der Gesundheit helfen können. Laut einer Studie der TU Braunschweig und der medizinischen Hochschule Hannover von 2016 fehlt es bei bisher fast allen Apps an medizinischer Evidenz. Ob und wie sich das Gesundheitsverhalten von Nutzern verbessert ist also noch nicht erforscht. Die Studie sieht in der Thematik auch eine ethische-Diskussion: Wo liegt die Grenze zwischen Privatheit und Transparenz? Geben Gesundheits-Apps den Nutzern mehr Kontrolle, oder gibt man durch die Nutzung in Wirklichkeit Kontrolle ab? Auch müsse sichergestellt werden, dass Nicht-Nutzer keinen Nachteil haben.

Auch stellte die Studie schon vor drei Jahren die Frage, ob und wie Apps in die reguläre Gesundheitsversorgung eingebunden werden sollen. Damals hieß es, es müsse geprüft werden, ob die Wirksamkeit dieser Apps zum Beispiel auch in einer klinischen Studie nachgewiesen werden kann, wie es zum Beispiel bei Medikamenten der Fall ist. Nun, da die “App auf Rezept” auf den Weg gebracht worden ist, scheint es immer noch nicht final geklärt, wie die Anwendungen Kranken überhaupt helfen können.

Beitragsbild: Sarah Sendner / Carolin Enders

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