Wie TU und FH mit Fridays for Future umgehen sollten

Fridays for Future Dortmund

Heute mündet die Klimawoche an TU und FH Dortmund in den globalen Klimastreik. Die TU distanziert sich, während die FH ihre Studierenden unterstützt. Wie sollten Hochschulen mit Protestbewegungen umgehen?

Staatliche Hochschulen müssen unbedingt neutral bleiben

findet Leon Pollok

Moment mal: Die TU unterstützt die Klimawoche nicht? Die TU strahlt den Mathetower nicht orange an, als Zeichen zum Tag gegen Gewalt an Frauen am gerade vergangenen Montag? Die Mitarbeiter bekommen nicht frei, um zum sogenannten Klimastreik zu gehen? Verhält sich die TU jetzt deshalb gleich frauenfeindlich? Hat sie etwas gegen Fridays for Future? Mit Sicherheit nicht. Ich übrigens auch nicht. Trotzdem: Vor allem staatliche Hochschulen tun gut daran, mit sozialen Bewegungen oder Gruppen keine gemeinsame Sache zu machen.

Diskussionskultur geht nur an einem neutralen Ort

Das große Problem: Wenn Hochschulen sich mit sozialen Bewegungen gemein machen, werden sie angreifbar. Fridays for Future – und die Uni steht großzügig daneben? Für den Wut-Bürger mit Deutschlandhut doch nur das nächste Top-Argument gegen „die da oben“. Hochschulen in Deutschland sind in besonderem Maße Institutionen der Meinungsfreiheit. Hier soll es möglich sein, bis an die Grenze des Erträglichen Argumente auszutauschen. Wir Studierenden sind es, die entscheiden dürfen, was wir unterstützen wollen. Die Uni ist der Ort dafür, der uns zur Verfügung gestellt wird. Vom Staat. Dass die Uni selbst zum Akteur wird, ist gefährlich. Denn die Positionierung zu der einen Sache bedeutet immer auch Ausgrenzung einer anderen, wenn vielleicht auch klitzekleinen Minderheit.

Gewalt gegen Frauen müssen wir bekämpfen. Da sind wir uns einig. Sind wir uns auch alle einig, dass wir bis Ende 2019 (!) einen Preis von 180 Euro pro Tonne CO² einführen müssen, wie Fridays for Future es fordert? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass es sich zumindest lohnt, offen darüber zu reden. Das möchte ich gerne an einer Institution tun, die sich neutral verhält und uns Studierenden den Spielball überlässt. An der TU Dortmund geht das.

Position der FH schadet am Ende nur den Protestierenden selbst

An der FH wird die Richtung mit einer Mitteilung auf der Homepage öffentlichkeitswirksam vorgegeben. Wie unnötig und albern! Studierende dürfen jetzt also brav demonstrieren gehen, weil sie frei bekommen. Das ist in etwa so, wie wenn ich als Schulabbrecher noch mal eben schnell mein Abitur nachschreiben darf, weil Mutti mir die Lösungen in die Butterbrotdose packt. War nicht bisher immer gerade die Selbstständigkeit der Demonstrierenden, die Unabhängigkeit und der eiserne Wille der vielen engagierten, jungen Leute so beeindruckend? Haben wir nicht alle gestaunt, als am 20. September knapp anderthalb Millionen Menschen allein in Deutschland zum Klimastreik gingen? Streik bedeutet immer Rebellion, Contra geben. Es soll und es muss wehtun, damit sich was ändert auf der Welt. Der „Streik“ der FH-Studierenden hingegen hat nicht einmal den Namen verdient.

Unsere Uni macht es sich mit ihrem „Nichtstun“ natürlich auch leicht. „Die TU Dortmund kooperiert nicht mit Gruppen wie der Campus-for-Future-Bewegung.“ Richtig so! Denn wer entscheidet eigentlich, welche Bewegung, welche Gruppe Unterstützung erhält und welche nicht? Die Rektorin? Das NRW-Wissenschaftsministerium? Angela Merkel? Natürlich könnte man jetzt sagen: Wenn es um fundamentale Grundrechte geht, darf sich die Uni einschalten und klar Stellung beziehen. Doch auch hier gibt es Grauzonen. Wer wie die FH einmal damit anfängt, offensiv Bewegungen zu unterstützen, gerät schnell in Erklärungsnot.

Bauern-Demo? Für die FH nicht einmal der Rede wert

In dieser Woche etwa haben in NRW laut Polizei 1500 Bauern für mehr Verständnis in der Politik demonstriert, allein in Dortmund waren es 400. Und die FH? Zuckt nicht einmal mit den Schultern. Sind die Rechte der Bauern also weniger wert als die der Fridays-for-Future-Bewegung? Mag sein. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, dass der Kanzler der FH Dortmund, Jochen Drescher, kein Landwirt ist. Akademische Unterstützung bekommen eben nur die Demos, die „gut“ sind.

Tja, wenn es doch so einfach wäre. Bei einer Diskussionsrunde im Rahmen der Klimawoche von FH und TU am Dienstag kamen ganze 16 Studierende zusammen, um über Fridays for Future zu diskutieren und sich auf den Streik am Freitag vorzubereiten. Ich weiß bis heute nicht, ob die FH ihren Studierenden mit der öffentlichen Unterstützung einen Gefallen tut. Eines weiß ich aber: Die staatliche Hochschule hat mir nicht vorzuschreiben, zu welcher Demo ich an welchem Tag in der Woche zu gehen habe. Ich will in Ruhe meiner Arbeit an der Uni nachgehen: Studieren.

Die Uni muss endlich Flagge zeigen

findet Julian Beuter

Es passiert nicht oft, aber heute beneide ich die FH. Die hat nämlich einen Kanzler, der auf Antrag des AStA allen Studierenden am Freitag (29. 11.) ab 11 Uhr frei gibt, damit sie zum internationalen Klimastreik gehen können. Nicht nur das: Jochen Drescher geht laut FH-AStA auch noch selbst streiken. Auch am Montag (25. 11.) wurden zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen symbolisch FH-Gebäude orange angestrahlt, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen.

Die TU bleibt tatenlos

Bei der TU sucht man ähnliche Aktionen lange. Sehr lange. Klimastreik? Können Studierende und Mitarbeitende ja in ihrer Freizeit machen, man arbeite schließlich in Gleitzeit. Auch Campus for Future stelle man Räume für die Klimawoche nur zur Verfügung, weil diese als offizielle AG halt Anspruch darauf hätte. Engagement ist das nicht. Der Tag gegen Gewalt an Frauen? Man habe sich grundsätzlich neutral zu verhalten, antwortet die TU. Neutral wem gegenüber? Wer außer dem Verein alter weißer Männer mit geringem Selbstbewusstsein e.V. fühlt sich denn bitte von einer Aktion gegen Gewalt an Frauen angegriffen? Und wer kann ernsthaft etwas dagegen haben, wenn gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gestreikt wird? Wäre es da nicht gerade die Aufgabe einer wissenschaftlichen Institution, an der zu all diesen Themen geforscht wird, mal Flagge zu zeigen?

Das Neutralitätsgebot ist im Weg

Tatsächlich gibt es eine Art Neutralitätsgebot für Bildungseinrichtungen. So wurde zum Beispiel die Ruhr-Uni Bochum von der AfD kritisiert, nachdem Lehramtsstudis dort Workshops für Schüler zum Thema Rassismus angeboten hatten. Davon fühlte sich die rechtsextreme Partei benachteiligt. Ja und? Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht, übrigens auch nach einer Klage der AfD und auch wegen einer Aktion gegen Rassismus, zu einer ähnlichen Aktion des Bundesbildungsministeriums geurteilt und sagt, dass staatliche Institutionen, wie auch die TU eine ist, keine politischen Parteien benachteiligen dürfen.

Hat die TU Angst vor Ärger?

Genau vor diesem Ärger scheint auch die TU Angst zu haben. Warum? Klar, irgendwer sieht sich ständig benachteiligt. Die AfD zum Beispiel. Von Klimawandel, Rassismusprävention und Frauenrechten hält man dort bekanntlich nicht viel. Auch andere Gruppierungen in der Gesellschaft würden sich von der ein oder anderen Aktion an der TU benachteiligt fühlen. Es ist klar, dass Protestaktionen auch Gegenrede verursachen, das nennt sich Demokratie und ist wunderbar. Aber sollten wir es deshalb einstellen, Stellung zu beziehen? Nein, denn dann haben eben diese Ewiggestrigen gewonnen. Die, die solche untragbaren Zustände beibehalten wollen. Die, die von Rassismus, Gewalt gegen Frauen und der Ausbeutung des Planeten profitieren. Kann man das wollen?

Wir Studis sollten Flagge zeigen

Man mag sich fragen, wer denn entscheidet, was gut und was schlecht für die Gesellschaft ist und wozu die Uni Stellung beziehen sollte. Die Antwort liegt auf der Hand: Wir Studis. Wir wählen regelmäßig das Studierendenparlament, wir können uns in AGs engagieren und damit einfach mal beim Rektorat anklopfen und sagen: „Wir wollen, dass der Mathe-Tower orange angestrahlt wird, um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.“ Oder „Entschuldigung, wir würden gerne am Freitag zum Klimastreik gehen. Bitte stellen Sie uns doch frei.“

Die TU kann uns dabei ruhig unterstützen

Und dann sollte man auch von Seiten der TU den Mut haben zu sagen „Okay, das machen wir so, wenn euch das wichtig ist.“ Genau so, wie das bei der FH offenbar passiert. An der TU hält man sich aus solchen Diskussionen lieber raus, delegiert die Entscheidung an die einzelnen Mitarbeitenden und bleibt beim Business as Usual. Schade. Wie gesagt, ich beneide die FH, weil man dort offenbar mal den Mut hat, um Stellung zu beziehen und etwas an der Welt verbessern zu wollen. Das finde ich wunderbar. So könnte man es an der TU ruhig auch mal machen.

Beitragsbild: Julian Beuter

 

und
Ein Beitrag von
Mehr von Leon Pollok
Studienplatz-Offensive verspricht Lösungen – und wirft Fragen auf
1000 neue Studienplätze für Lehrkräfte will Schulministerin Yvonne Gebauer schaffen und damit...
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert