Kommentar: Let’s talk about sexuell übertragbare Krankheiten!

Zu wenige Menschen in Deutschland wissen über sexuell übertragbare Infektionen Bescheid. Dabei steigt die Zahl von Menschen, die sich mit diesen Infektionen anstecken, jedes Jahr. Damit sich die Krankheiten nicht weiter ausbreiten, müssen wir darüber reden – und uns testen lassen. Ein Kommentar.

Immer mehr Menschen stecken sich mit sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) an: Die Zahl der Syphilis-Erkrankungen stieg von 5.821 Fällen im Jahr 2014 auf 7.889 Fälle im Jahr 2019. Dies berichtet die AOK Nordwest. Vor etwa 20 Jahren war die Syphilis so gut wie ausgestorben, erklärt Professor Norbert Brockmeyer, Präsident der deutschen STI-Gesellschaft und Arzt im Walk In Ruhr Zentrum für sexuelle Gesundheit in Bochum. Außerdem sei zu beobachten, dass STIs unter jüngeren Menschen häufig auftreten. Bei Chlamydien-Infektionen sei in der Altersgruppe zwischen 15 und 25 Jahren im Schnitt jeder Zehnte infiziert.

Tabuthema sexuell übertragbare Krankheiten

Grund dafür ist, dass sexuell übertragbare Infektionen tabuisiert werden. Niemand spricht darüber. Durch die Unwissenheit können sich die Krankheiten ausbreiten. Kondome schützen eben nicht zu 100 Prozent gegen jede sexuell übertragbare Infektion. Ein Umstand, der vielen nicht bewusst ist. Gerade bei bakteriellen Infektionen, wie Chlamydien, Tripper und Syphilis kann die Infektion nicht nur durch vaginalen oder analen Geschlechtsverkehr übertragen werden. Auch durch Oralverkehr oder über Schmierinfektionen werden die Erreger weitergegeben.

Etwa zwei Drittel aller sexuell übertragbaren Infektionen treten nicht im Genitalbereich auf. Professor Norbert Brockmeyer sagt, dass einige davon im Mund-Rachen-Raum auftreten, viele auch im Rektum. Die Übertragung von sexuell übertragbaren Infektionen beim Analverkehr ist besonders häufig, weil dabei schnell Verletzungen auftreten. Laut Professor Brockmeyer hatten circa 47 Prozent der Mädchen und 60 Prozent der Jungen im Alter zwischen 16 und 27 in einer Studie des Walk In Ruhr Zentrums für sexuelle Gesundheit Analverkehr – und damit ein weiteres Risiko für STI.

Drei Tests – drei Ärzte

Und selbst wem bewusst ist, erkrankt sein zu können, der:die muss erst einmal die Motivation aufbringen, sich testen zu lassen. Und das wird in Deutschland nicht gerade einfach gemacht: Chlamydien und Tripper testen Gynäkolog:innen, HIV testen Hausärzt:innen und Syphilis testen Dermatolog:innen. Das bedeutet Stress und Ärger für Tests, die dann im besten Fall negativ sind. Dazu kommt, dass der einzige Test, der von den Krankenkassen übernommen wird, der für Chlamydien ist. Jede Frau unter 25 Jahren kann sich einmal im Jahr kostenlos testen lassen.

Nur bei Symptomen werden die Kosten für den Test übernommen. Etwa 90 Prozent der Infektionen verlaufen, laut Brockmeyer, zunächst aber symptomlos. Das heißt, die meisten bekommen nicht mit, dass sie infiziert sind. Wer lässt sich dann schon testen? Es muss mehr Anlaufstellen geben, bei denen man sich umfassend testen lassen kann und das kostenlos!

Keine Stigmatisierung

Und es müsste mehr Aufklärung geben. Denn oft werden Menschen mit sexuell übertragbaren Infektionen stigmatisiert. Für viele sind sie ein Zeichen von Untreue oder Prostitution. Niemand sollte sich schuldig fühlen bei einer Infektion und niemand sollte Angst davor haben, darüber zu sprechen. Eine Infektion lässt sich in den meisten Fällen gut behandeln. Voraussetzung dafür ist, dass sie früh erkannt wird und Partner*innen mitbehandelt werden.

Was also können wir tun? Zuerst einmal darüber reden: nicht nur mit unseren Partner:innen; sondern am besten auch mit Ärzt:innen, Freund:innen oder sogar mit unseren Eltern. Was noch hilft? Auf jeden Fall Kondome. Auch wenn sie nicht zu 100 Prozent sicher sind, sind sie sicherer als ungeschützter Sex. Und das wichtigste ist und bleibt – sich testen zu lassen. Faustregel: Wer fünf oder mehr Sexualpartner:innen hatte, sollte einen Test in Erwägung ziehen, denn der schützt nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen.

Sexuell übertragbare Krankheiten: „Die Wissenslücken sind eklatant“

Fotoquelle: pixabay/cuncon

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