Rente: Hat das Umlagesystem Zukunft?

Wieder einmal wird über die gesetzliche Rente debattiert. Zurecht, denn das System sitzt auf einer demographischen Zeitbombe: Die Deutschen werden immer älter – und die Anzahl der Arbeitnehmer wird mittelfristig sinken. Doch wie ließe sich das System langfristig stabilisieren?

Der neueste Beitrag zur Debatte kam am Montag (07.06.21) aus dem wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums. Die Berater von Peter Altmaier (CDU) fordern, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Effektiv bedeutet das eine Anhebung des Rentenalters.  Das Kernargument des Gremiums: Ab 2025 werden viele Babyboomer in Rente gehen. Dadurch, so die Wissenschaftler, drohe der gesetzlichen Rentenversicherung „schockartige steigende Finanzierungsprobleme”.

Wie (un-) sicher ist die Rente ?

Der Hintergrund: Das Rentensystem ist umlagefinanziert. Alle Berufstätigen zahlen dabei jeden Monat einen Beitrag in die Rentenkasse ein. Dieses Geld wird dann an die derzeitigen Rentner ausgezahlt. Das System gerät jedoch gerade an seine Grenzen. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung gibt es immer mehr Rentner, die Geld erhalten. Arbeitnehmer müssten also immer mehr Geld einzahlen, um die Rente zu sichern.

Die steigende Lebenserwartung ist an sich kein neues Phänomen. Lange Zeit konnten diese steigenden Rentenausgaben noch durch eine wachsende Bevölkerung ausgeglichen werden. Inzwischen wächst die Bevölkerung aber kaum noch. Es öffnet sich somit eine immer größere Lücke zwischen Ein- und Auszahlungen — die der Staat mit Steuergeld schließen muss.

Welche Optionen gibt es?

Durch den demographischen Wandel wird diese Lücke immer größer. Will der Staat nicht immer mehr Steuergeld einsetzen, hat er drei Möglichkeiten: Er kann für Arbeitnehmer den Beitragssatz erhöhen, die Renten kürzen oder das Eintrittsalter anheben. Allerdings löst keiner dieser Ansätze das zugrunde liegende Problem des demographischen Wandels.

So ist auch das Gremium pessimistisch für die Zukunft. Im Vorschlag selbst heißt es: Selbst wenn das Eintrittsalter angehoben wird, werden sich höhere Beiträge und ein langfristig niedrigeres Rentenniveau nicht vermeiden lassen. Viele Experten fordern daher, alternative Konzepte und Ideen stärker zu fördern. Dazu gibt es etwa folgende Ansätze:

1. Mehr Steuerfinanzierung

Zur Zeit muss das Umlagesystem viele Leistungen finanzieren, für die es eigentlich nicht gedacht ist —  zum Beispiel die Mütterrente. Solche Leistungen könnten direkt über Steuern finanziert werden. Das würde die Rentenversicherung deutlich entlasten. Das Problem: Ein solches System wäre für alle Steuerzahler teuer.

2. Staatliche Kapitalrente

In diesem Fall würde allen Arbeitnehmern eine staatlich organisierte Zusatzversicherung angeboten werden. Die Grundidee: Widerspricht der Arbeitnehmer nicht explizit, führt der Arbeitgeber monatlich einen bestimmten Betrag ab. Dieses Geld geht in einen staatlichen Rentenfonds ohne eigenes Gewinninteresse. Alle Bürger hätten also Zugriff auf eine kapitalgestützte Rente, ohne selbst aktiv werden zu müssen. Dieser Ansatz nutzt kein Umlagesystem und kann potenziell Überschüsse erwirtschaften. Das Problem: Sollte dieser Fonds doch Verluste erwirtschaften, wären alle Bürger betroffen

3. Alle Bürger ins Rentensystem holen

Zur Zeit müssen Beamten, Selbstständige und Unternehmer nicht in die Rentenversicherung einzahlen. Eine Möglichkeit wäre es, Beiträge auch für diese Gruppen verpflichtend zu machen. Kurzfristig würde mehr Geld ins System fließen. Auch der Wegfall von Pensionen für Beamte würde den Staat entlasten. Das Problem: Beamte und Selbstständige hätten ebenfalls Anspruch auf Rente — und die Finanzierungslücke würde sich langfristig verschärfen

4. Mehr Zuwanderung

Dieser Ansatz geht das Problem an der Wurzel an: Mehr Arbeitnehmer bedeuten mehr Einzahler ins Umlagesystem. Gäbe es genug Migranten, ließe sich in der Theorie die Finanzierungslücke schließen und das Umlagesystem stabilisieren. Der Nachteil: Potenzielle Migranten müssten zunächst effektiv in den Arbeitsmarkt integriert werden. Besonders Sprach- und Qualifikationsbarrieren würden das mitunter erschweren. Ein weiteres Problem: Es müssen auch genügend Arbeitsplätze für die Migranten verfügbar sein.

5. Private Vorsorge

Die Grundidee dabei: Die Bevölkerung muss selbst vorsorgen. Jeder Bürger spart bei einer privaten Versicherung, um später eine bestimmte Summe  zur Verfügung zu haben. Zukünftige Leistungen werden durch vorausschauendes Sparen gewährleistet. Das defizitäre Umlagesystem wäre Geschichte. Das große Problem: Ein solches System ist extrem risikoreich, etwa wenn ein Arbeitnehmer arbeitslos wird. Auch Marktschwankungen wie etwa die Finanzkrise 2009 sind nicht vorhersehbar. Eine staatliche Absicherung wie beim Umlageverfahren existiert nicht.

Aus diesen Ansätzen folgt: In der Debatte um die gesetzliche Rente gibt es kein Patentrezept. Das System ist äußerst komplex und verschiedensten Einflüsse ausgesetzt — das zeigt auch der Vorstoß aus dem Wirtschaftsministerium: Denn Arbeitnehmer ist nicht gleich Arbeitnehmer.  Nur weil die Lebenserwartung steigt, können nicht alle automatisch länger arbeiten. Besonders Menschen in körperlich anstrengenden Berufen wären durch ein höheres Renteneintrittsalter benachteiligt. Das zeigt: Eine nachhaltige und sozial gerechte Lösung der Rentendebatte ist nicht absehbar.

Teaser- und Beitragsbild: pixabay.com/Alexas_Fotos

Ein Beitrag von
Mehr von Cedric Schäfer
KURT – Das Magazin: Überbrückungshilfen für Studierende, hybrides Semester, Eishockey
Der 20-Jährige Jonas konnte weder schmecken noch riechen, hatte Haarausfall. Der Student...
Mehr
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert