Junge Jäger: Die Verantwortung hinter der Flinte

Braune Klamotten, Flinte über der Schulter und ab in den Wald: Das Bild von Jägern ist bei vielen gleich. Zu ihren Aufgaben gehört jedoch noch viel mehr als das Schießen von Tieren. Clemens – ein junger Jäger aus Soest – erklärt, welche Verantwortung hinter dem Beruf steht. 

Es ist fast still – nur das Vogelgezwitscher und der Wind in den Blättern sind zu hören. Clemens sitzt mitten im Wald, hoch oben. Den Blick in die Ferne gerichtet. Ihm gegenüber liegt eine Wildweide – ein Stückchen Grün inmitten des Waldes. Jetzt heißt es warten und leise sein. Die Minuten werden zu Stunden und das einzige was man hört, ist das Knacksen im Dickicht, das Flattern von Vögeln und das Knirschen vom Hochsitz wenn er seine Position ändert. Die Stille ist irgendwie beruhigend.

Eine Ansitzjagd auf einen Hochsitz mitten im Wald ist etwas für in sich ruhende und geduldige Menschen. Dazu gehört Clemens Kessing. Der junge Jäger genießt die Zeit im Wald jedes Mal auf Neue. “Auch wenn ich hier nur sitze… Ich habe die Möglichkeit ganz intime Einblicke zu erhaschen, die man als normaler Fußgänger nie sehen würde”, sagt der 19-Jährige. Er erzählt von Rehböcken, die schon unter der Kanzel hindurch gelaufen sind. So nah kämen nur wenige Leute an diese Wildtiere heran. Clemens hat seinen Jagdschein schon mit 16 Jahren gemacht.

Jagdschein mit Probezeit

Ein Freund der Familie nahm ihn dann immer in dessen Jagdgebiet mit. “Einen Jäger mit Jagdschein, der noch nicht volljährig ist, kann man sich wie einen jungen Autofahrer vorstellen, der noch ein Jahr begleitet fahren machen muss, bevor er oder sie alleine auf die Straße darf”, erklärt der junge Jäger. Zur Jagd muss dann immer ein erfahrener, volljähriger Jäger mitkommen. In dessen Beisein ist es auch dem Minderjährigen erlaubt, zu schießen. Laut des Deutschen Jagd Verbunds besaßen in Deutschland im Jagdjahr 2019/2020 fast 400.000 Menschen einen Jagdschein. In den letzten Jahren sind die Zahlen stetig gestiegen. Clemens hat seit drei Jahren seinen Jagdschein und seit ungefähr einem Jahren auch einen eigenen Begehungschein für das angepachtete Revier eines Freundes. Der Schein erlaubt ihm, in diesem Revier jagen zu gehen.

Begehungsscheine
Ein Begehungschein erlaubt Jägern, die kein eigenes Revier haben, in einem anderen Revier jagen zu gehen. Begehungsscheine können Geld kosten, müssen es aber nicht. Die Scheine werden entweder über Inserate in Zeitungen oder über Kontakte verteilt. Besonders in Staatsforsten werden Begehungsscheine oft vergeben. Diese Scheine geben Jägern die Befugnis auf Tiere zu schießen, die durch das Land freigegeben oder durch Pächter vorgegeben worden sind. Pächter können auch Verbote für bestimmte Tiere aussprechen. Wenn Jäger mit Begehungsscheinen etwas erlegen, gehört das Fleisch vorerst den Pächtern. Nur die Trophäe, zum Beispiel die Hörner eines Rehbockes, gehören immer den Personen, die das Tier erlegt haben.

Wildäcker als Kernstück des Jagdreviers

Durch den Begehungsschein ist Clemens Hauptaufgabe das Jagen. Doch die Jagd selbst ist die einzige Aufgabe der Jäger, welche ein eigenes oder angepachtetes Gebiet haben. “Jäger müssen sich um die Tiere in ihrem Revier kümmern und gleichzeitig eine gute und sichere Jagd fördern”, sagt Clemens. Dazu gehört zum einen das Anlegen von Wildäckern. Durch sie werden Wildschäden, zum Beispiel umgewühlte Grasflächen und abgefressene Maisfelder rund um das Jagdgebiet vermieden. Das freut besonders die Landwirte der Umgebung, aber erspart auch den Jägern Stress: Denn wenn Wildtiere beispielsweise auf anliegenden Feldern Mais abfressen, dann müssen entweder die Jäger oder die Jagdgemeinschaft dafür aufkommen.

Wildäcker
Wildäcker sind (künstlich) angelegte Lichtungen, die den Tieren Schutz und eine alternative Futterquelle bieten und sie von landwirtschaftlich genutzten Flächen weglocken. Jäger starten mit der Aussaat für Wildäsungsflächen im Frühjahr. Es werden verschiedene Gräser, Kräuter und Getreidearten angebaut. Das Saatgut sollte immer auf die im Revier lebenden Tiere abgestimmt werden. Durch das Anlegen von Wildäckern werden Wildschäden auf Feldern reduziert, da die Tiere auch Futternot nicht mehr die landwirtschaftlich genutzten Flächen aufsuchen. Da das Wild sich dann dort vermehrt aufhält, ist die Beobachtung der Tiere und genaue Bestandsaufnahme ihrer Zahlen erleichtert. Deshalb können dann dort gezielt bestimmte Tiere geschossen werden, was im Wald nicht möglich ist.

Jagen ist nicht die einzige Aufgabe

Mit Blick auf den Wald verbringt Clemens viele Stunden.

Wenn es wirklich harte Winter gibt, können Jäger auch Futter für die Tiere auslegen. Doch in Deutschland seien die Winter dafür meistens nicht kalt genug, sagt Clemens „Diesen Winter war es zwar etwas kälter als sonst, aber auch noch nicht so, dass die Tiere nichts mehr zu fressen finden.” Das Jagdteam im Revier hat dann ein paar Heuballen auf die Wildäcker gebracht. Doch: Sobald die Jäger Futtermöglichkeiten schaffen, sind die Jagdfreigaben sehr beschränkt. In der Regel darf dann gar nicht mehr geschossen werden. In NRW darf in einem Umkreis von 200 Metern an Fütterungsstellen, die der Unterstützung des Wildes in Notzeiten, gedacht sind nicht gejagt werden, erklärt Clemens. Das sei zum einem gesetzlich festgelegt und zum anderen wolle man das Wild ja unterstützen. „Rotwild zum Beispiel fährt ihn solchen Zeiten den Kreislauf stark runter und wenn die Tiere dann durch die Bejagung Stress ausgesetzt sind, kann es sein, dass die Tiere dann am Stress verenden“, sagt Clemens.

Eine der wichtigsten Aufgaben für Jäger sei außerdem die Verfolgung bei Wildunfällen. „Als Pächter wirst du dann angerufen und musst zur Unfallstelle kommen”, sagt Clemens. Manchmal sind die Tiere schon direkt tot, aber in den meisten Fällen nicht. Dann muss der Jäger oder die Jägerin das verletzte Tier finden. „Wenn du keinen Hund hast, musst du jemanden suchen der einen hat, um so das Tier aufzuspüren und es von seinem Leid zu erlösen”, erklärt er. Dabei sei es wichtig, dass Tier so schnell wie möglich zu finden, denn Jäger sind dazu verpflichtet, Tierleid zu vermeiden.

Wildunfälle
Im Jagdjahr 2019/2020 kam es insgesamt zu 32.390 Wildunfällen. Dazu zählen Unfälle mit Rehwild, Schwarzwild, Dammwild und Rotwild.

Vorgaben vom Land

Auch wenn gejagt, können sich Jäger nicht willkürlich Tiere aussuchen, auf die geschossen wird. Oft bekommen Pächter Jagdabschusspläne vom Land. “In denen bekommt man vorgelegt, wie viele von den Tieren geschossen werden müssen. Die Zahl wird an den im Revier lebenden Tieren berechnet”, erklärt Clemens. In NRW gibt es diese Pläne nur für Rotwild, was aber nicht bedeutet, dass nur diese Tiere gejagt werden. In bestimmten Revieren sollten Jäger die Bestände von Prädatoren – also Raubtiere wie Waschbären und Füchse – klein halten, indem sie Ansitz- oder Fallenjagden durchführen. Wenn das nicht passiert, sind sogenannte Niederwildarten wie Fasane oder Hasen im Gebiet stark gefährdet.

Clemens ist noch ganz am Anfang seine Jagdlaufbahn. “Ein Jagdrevier darf man erst mit 21 Jahren pachten”, sagt er. Das heißt: Junge Jäger müssen ihren Jagdschein mindestens drei Jahre nach Vervollständigung der Volljährigkeit besitzen, um Reviere anpachten zu können. Etwas Erfahrung wird vorausgesetzt, bevor junge Jäger komplett alleine für ein Gebiet verantwortlich sein dürfen. Clemens möchte auf jeden Fall irgendwann sein eigenes Revier haben. Bis dahin dauert es aber noch einige Jahre  – aber jeder fängt mal klein an.

 

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