Und am Ende gewinnen immer die Bayern …

Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Personen dem Ball hinterherlaufen und am Ende gewinnen immer die Bayern. Dieses leicht abgewandelte Bonmot von Gary Lineker ist innerhalb der vergangenen zehn Jahre beinahe zu einem Naturgesetz für die Bundesliga verkommen. Das Ergebnis: Fast jegliche Spannung ist aus dem Wettbewerb gewichen. Höchste Zeit für Reformen – ein Kommentar. 
Mit dem Abpfiff knallen die Schampuskorken auf der Ehrentribüne. Bayern Boss Hainer stößt mit den Hoeneß Brüder auf den 3:1-Sieg gegen Borussia Dortmund und den Gewinn der zehnten deutschen Meisterschaft in Folge an. Es wird gelacht. Das alkoholfreie Weizen spritzt über den Rasen. Viele Fans sind längst nach Hause gegangen. Keine überbordenden Emotionen, keine richtige Ekstase, denn der Triumph ist nichts Besonderes mehr. Jährlich grüßt das Murmeltier.  Nur die Spieler scheinen sich richtig zu freuen. Thomas Müller sucht in seiner unnachahmlich spitzbübischen Art ein geeignetes Opfer für die Bierdusche und wird fündig. Er übergießt Bastian Schweinsteiger, der im Dienst vom US Sender ESPN den historischen Erfolg der Münchener Bayern einordnen soll. Noch nie ist es einer Mannschaft aus einer europäischen Spitzenliga gelungen, zehn Jahre in Folge die nationale Meisterschaft zu gewinnen. Ein Rekord dem höchste Anerkennung gebührt, um den die Bundesliga international aber niemand beneiden dürfte.
Das Produkt Bundesliga ist langweilig. Das Rennen um die Meisterschale gleicht einer schlechten Geschichte, deren Ausgang von vornherein schicksalhaft festgelegt scheint. Es fehlt der aufrichtige Glaube an die plötzliche Wendung im Wettstreit um den Bundesligatitel. Schon lange ist die einstig erbitterte sportliche Rivalität zwischen den Vereinen einem gelegentlichen verbalen Schlagabtausch durch die Verantwortlichen gewichen. Man begegnet sich längst nicht mehr auf Augenhöhe. Aus dem Süden blickt man mit herablassender Genugtuung auf den strauchelnden Kontrahenten aus dem Ruhrgebiet. Die Bayerndominanz nimmt dem Spektakel seinen Reiz, weil es für die anderen Wettbewerber nie um das große Ganze, die Meisterschaft geht. Bei den Zuschauer*innen wächst die Distanz. Aber wie ist der FC Bayern zu dem geworden, was er heute ist?

Ulis Werk und Karlheinz Beitrag

Wir begeben uns auf Spurensuche. Es fühlt sich an, als seien Äonen vergangenen seit zuletzt ein anderes Team, den die wichtigste deutsche Fußballtrophäe in den Himmel recken durfte.  Als Sebastian Kehl im Jahr 2012 im Konfettiregen die Meisterschale in Empfang nahm, war ich 11 Jahre alt. Alles was danach kam, verschwimmt zu einer zähen magentaroten Masse, ein einziger ungebremster Triumphzug der Bayern. Wo endet noch mal Heynckes und wo beginnt Kovacs? Auch vor 2013 standen die Bayern auf dem Schlusstableau am letzten Spieltag häufig an oberster Stelle. Zum Beispiel in den 70er-Jahren dominierten die Münchener mit Spielern wie dem “Kaiser” Franz Beckenbauer und dem “Bomber” Gerd Müller. Doch die bayrische Dominanz wechselte sich auch mit Drangphasen anderer Bundesligisten ab. 
Erst ein schwäbischer Hitzkopf formte aus diesem Verein trotz provinziell anmutendem Geist einen Klub von internationalem Format.  Uli Hoeneß mit wutrotem Schädel war und ist die Hassfigur der Bundesligakonkurrenz. Man merkt ihm seine Abneigung gegen alles, was nicht der FC Bayern ist, förmlich an. Zusammen mit seinem kongenialen Partner Karl-Heinz Rummenigge erarbeitete er seinem FC Bayern einen finanziellen Vorsprung, der aufgrund der Championsleague-Gelder jedes Jahr weiter anwächst. Durch die regelmäßige Teilnahme verfügen die Münchener über Millionen, die den deutschen Gelegenheitsgästen im europäischen Spitzenfußball fehlen. Problematisch ist daran, dass diese ungleichen monetären Kräfteverhältnisse die Bundesliga in die Monotonie gestoßen haben. Es fehlen die großen Geschichten. Nicht nur für die eigene Vermarktung muss diese tiefe Sehnsucht nach den großen Erzählungen gestillt werden. Die geschundenen Seelen aller Fußballromantiker verlangt nach dem großen Theater. Deswegen fiebern alle bei der Frankfurter Odyssee durch Europa mit. Aber auch dieser Epos wird spätestens in sich zusammensinken, wenn im Finale von Sevilla Red Bull mit einem schnöden 1:0 die Eintracht um den gerechten Lohn bringen wird und dann bleibt uns vorerst wieder nur die triste Bundesliga-Realität.

Die Konkurrenz ist selber schuld.

Doch verbergen sich hinter den Serienerfolgen auch kollektives Versagen der  nationalen Konkurrenz? Schon in den vergangenen Jahren durchlebte der FC Bayern als nachlässiges Genie Schwächephasen und zeigte sich verwundbar. Doch wenn die Münchener stolperten und ins Trudeln gerieten, war niemand parat, um die Gunst der Stunde zu nutzen.  Borussia Dortmund hat sich in den letzten Jahren zu einem Farm-Team für die europäische Fußballbourgeoisie entwickelt. Man scheint sich damit zu begnügen, vielversprechende Spieler zu Topstars zu formen, um diese dann gewinnbringend zu veräußern. Mit diesem Konzept ist es auf Dauer schwierig, Kontinuität zu erreichen. Auf lange Sicht könnte RB Leipzig zum ärgsten Konkurrenten werden. Doch auch die sind seltsam unbeständig und bescheiden in der öffentlichen Zielsetzung. Vielleicht fehlt es am Alpha Mindset.

Zwischen Play-offs und Saudi Arabien – die DFL denkt über Reformen nach.

Die neue Geschäftsführerin der Deutschen Fußball Liga, Donata Hopfen, hat zuletzt eine Debatte über eine mögliche Anpassung des Wettbewerbsmodus hin zu Play-off-Spielen um die Meisterschaft angestoßen. Das ist an sich eine spannende und wichtige Überlegung. Schade war nur, dass praktisch im gleichen Atemzug auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen wurde, den Supercup künftig in Saudi Arabien auszutragen. Da schüttelt jeder Traditionalist resignierend den Kopf. Verwundern können solche Entwicklungen kaum noch, steht doch bereits im kommenden Winter die WM in Qatar an. Ein Fußballfest für alle, die es mit Menschenrechtsverletzungen und Nachhaltigkeit nicht ganz so genau nehmen. Mit einem Maskottchen in okkulter Gestalt, das mit Fußball ungefähr genauso viel zu tun hat wie Qatar selbst. Große Gespenster für die geistig Umnachteten. Es lebe die Fußballhochkultur!
Doch kommen wir zurück zum Kernvorschlag von Frau Hopfen: Play-offs. Vorgeschlagen wird eine Variante nach dem Vorbild der österreichischen Bundesliga. Dort ziehen die Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte nach dem Abschluss der Hauptrunde in die Play-offs um die Meisterschaft ein. In dieser Play-off-Runde spielt noch mal jeder gegen jeden. Die Punkte aus der Hauptrunde werden überführt. Demnach profitiert hier, wer bereits in der Hauptrunde erfolgreich war. Durch diese Zufallskomponente soll eine künstliche Spannung erzeugt werden. Greift man so tatsächlich die existierenden strukturellen Probleme an?  Oder muss die “50+1 Regel” fallen, damit sich die Bundesliga auch gegenüber Vereinsübernahmen durch Investoren öffnet? Ob die Tristesse der Bundesliga ausreicht, um diesen fundamentalen Schritt in die völlig falsche Richtung zu gehen, ist mehr als fraglich. Schwer vorstellbar, dass sich Fußballenthusiast*innen mit einer Zukunftsvision anfreunden können, in denen zwielichtige Figuren wie Scheich Ismaik von 1860 München  oder der “UERDING RUSSEN” zu Hause sind. 

“Maßvolle” Konkurrenz und Tradition

Ideal wäre eine solidarischere Verteilung der TV-Gelder und Championsleague-Prämien. Allerdings wird so einer gigantischen Umverteilung kein erfolgshungriger Verein selbstlos zustimmen – aus eigenen Wettbewerbsinteressen. An Konkurrenz ist man beim FC Bayern nur solange interessiert, wie die kleinen Vereine “maßvoll” sind, um ein altes Rummenigge-Zitat wieder zu beleben.  Vielleicht bleibt uns nicht viel übrig, als die Bayern zusammen mit den anderen Enteilten ihre eigene Super League gründen zu lassen.  Oder man sucht bei anderen Wettbewerben Zuflucht und beschäftigt sich zum Beispiel mit der 2. Bundesliga, die neben einem aufreibenden Aufstiegsrennen auch viel Tradition zu bieten hat.
Beitragsbild: Pixabay
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