Urlaubschaos 2022 – Was steckt dahinter?

Chaos am Flughafen, extreme Preissteigerungen und schlechter Service – in dieser Sommersaison läuft vieles schief. Aber was sind die Gründe für die angespannte Lage und welche Lösungen gibt es?

Wer in diesen Tagen auf dem Weg zum Flughafen ist, hat wahrscheinlich nicht nur Vorfreude im Gepäck. Denn in vielen Abflughallen des Landes staut es sich, soweit das Auge reicht. Reisende müssen teils mit stundenlangen Wartezeiten rechnen. Andere sehen gar nicht erst das Innere ihres Fliegers, weil die Airline den Flug kurzfristig annulliert. Dann bleibt den Reisenden meist nichts anderes übrig als spontan einen anderen Flug zu buchen und anschließend auf die Entschädigung der Fluggesellschaft zu hoffen.

Dazu kommen teils massive Preissteigerungen auf den besonders beliebten Flugrouten. So hat das Vergleichsportal Idealo für das Magazin Plusminus errechnet, dass die Flüge nach Mallorca im Schnitt um 61 Prozent teurer geworden sind, als vor der Pandemie. Währenddessen blieben weniger gefragte Ziele von den Preissprüngen oft unberührt. Aber nicht nur die Nachfrage bestimmt den Preis. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sieht weitere Preistreiber bei den Unternehmen: „Die gestiegenen Kerosinpreise sind ein riesiger Kostenblock für die Airlines. Gleichzeitig haben die Airlines viele Schulden aufgehäuft und um die abzubauen, müssen sie Gewinne machen.“ Laut Schellenberg zeige das Buchungsverhalten jedoch, dass viele Menschen auch bereit seien, mehr für ihren Urlaub zu zahlen.

Schlechter Service zum hohen Preis

Wer horrende Preise zahlt, erwartet natürlich einen reibungslosen Service. Mit genau diesem sind die Unternehmen am Boden und in der Luft jedoch überfordert. Die große Reiselust der Deutschen kam für viele Bereiche der Branche laut eigener Aussage überraschend. Daher hat allein die Lufthansa mit der Tochter Eurowings schon jetzt 900 Flüge im Juli streichen müssen. „In den nächsten Wochen mit weiter steigenden Passagierzahlen wird sich die Situation kurzfristig kaum verbessern“, muss sogar der Lufthansa-Vorstand in einem Brief an die Passagiere eingestehen.

Für ver.di-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim kam dieses Chaos mit Ansage. In den letzten Sommerferien habe man bereits gesehen, wie schnell die Passagierzahlen wieder angestiegen seien. „Wenn die Fluggesellschaften die Flüge anbieten und dann kurzfristig per SMS den Flug canceln, dann ist das die Folge des Personalmangels“, meint der Gewerkschafter. Luftfahrtexperte Schellenberg attestiert den Airlines „eine gewisse Zurückhaltung, weil man nicht wusste, wie sich der Flugverkehr entwickelt, sodass man nicht so viele Einstellungen vorgenommen hat.“ Dieses Zögern der Unternehmen bezahlen nun die Kund*innen mit langen Wartezeiten und die Mitarbeitenden mit noch anstrengenderen Arbeitsbedingungen. Diese Mehrbelastung zeigt sich unter anderem im Sicherheitsbereich des Düsseldorfer Flughafens. Laut Özay Tarim herrscht hier zurzeit ein Krankenstand von 20 Prozent.

Schadensbegrenzung in letzter Sekunde

Zum Ferienanfang in NRW wurde das Problem so gravierend, dass auch die Bundesregierung eingreifen musste. Dazu kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an, dass die Unternehmen Hilfskräfte aus dem Ausland, vor allem aus der Türkei, einsetzen können. Dass diese Leiharbeiter überhaupt im sensiblen Sicherheitsbereichen des Flughafens eingesetzt werden können, bezweifelt ver.di-Gewerkschafter Tarim. Er glaubt, dass die nötigen Sicherheitsnachweise fehlen werden. Dementsprechend rechnet er nicht mit einer Entspannung durch diese Maßnahme. Ebenso wirkungslos sei das neu gewonnene Sicherheitsunternehmen am Düsseldorfer Flughafen, denn dieses habe erstmal nur 18 Sicherheitskräfte bereitgestellt, obwohl 500 fehlen würden. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft fehlen an deutschen Flughäfen derzeit 7200 Fachkräfte in den unterschiedlichen Bereichen.

Besonders der Sicherheitsbereich, in dem Gepäck und Passagiere auf Gefahren hin kontrolliert werden, ist stark unterbesetzt. Und dass, obwohl dieser der Terrorabwehr dient und hoheitlich der Bundespolizei unterstellt ist. Diese gibt die Aufgabe jedoch an private Sicherheitsdienstleister weiter, die für die Durchführung vom Staat bezahlt werden. Die Bundespolizei übernimmt einzig die Prüfung. Somit sind die Dienstleister maßgeblich für das Personal und die reibungslose Abfertigung zuständig. Beides Aufgaben, denen sie laut der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) nicht richtig nachkommen. Auf Anfrage wollte sich das Mutterunternehmen des Sicherheitsdienstleisters am Flughafen Düsseldorf „Piepenbrock“ dazu jedoch nicht äußern.

Keine Besserung im Sommer

Eines scheint sicher: In diesem Sommer ist nicht mit einer Besserung der Lage zu rechnen. Der Vorstand der Lufthansa rechnet damit, dass sich die Neueinstellungen „erst im kommenden Winter stabilisierend auswirken.“ Doch welche Konsequenzen werden am Ende gezogen? Özay Tarim hofft, dass das diesjährige Chaos nachhaltige Veränderungen in Gang setzt, vor allem für die Beschäftigten. Er fordert, dass die Sicherheitskontrolle als hoheitliche Aufgabe wieder in die Hände des Staates gehören soll. Luftfahrtexperte Schellenberg wiederum hält von dieser Forderung eher wenig. Dennoch glaubt auch er, dass die Branche umdenken und die Aufsicht der Unternehmen durch die Bundespolizei besser werden müsse.

Beitragsbild: Joshua Woroniecki / pixabay

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