Influencer: Zwischen Geld und Ehrlichkeit

Wir beobachten ihr Leben, folgen ihren Tipps und kaufen die Produkte, für die sie Werbung machen: Influencer zu sein, ist längst kein Hobby mehr. Dahinter steckt ein ganzer Geschäftszweig. Ein Blick hinter die Kulissen.

Als „diedaywalker“ tritt Julia Brüggemann in den Sozialen Netzwerken auf. Die Influencerin stammt aus Niedersachen und lebt jetzt auf Mallorca. Hier erzählt sie, was außerhalb von Instagram passiert.

Du bekommst im Monat etwa fünf Kooperationsanfragen. Was passiert, nachdem dich eine Anfrage erreicht?

Die E-Mails gehen an mich. Größtenteils kümmere ich mich allein um die Anfragen, aber ich arbeite auch mit zwei Managements zusammen. Ich gucke mir die Anfrage an und überlege: Passt das Produkt zu mir? Passt die Anfrage in meinen Zeitrahmen und in meinen Kalender? Dann frage ich nach: Was wollt ihr dafür zahlen? Was wollt ihr genau? Gebt mir ein Angebot.

Julia Brüggemann ist seit einigen Jahren Influencerin. Foto: Julia Brüggemann

Wann passt ein Produkt denn zu dir?

Ich mache nicht nur Werbung für Produkte, die supergut zu mir passen. Das muss ich ehrlich sagen. Nur weil das Produkt nicht zu mir passt, kann es vielleicht zu einem anderen Kunden passen. Es gibt immer einen Kunden für ein Produkt. Wichtig ist mir, dass Werbung in meinem Content nicht überhandnimmt.

An welchen Kriterien machst du fest, ob du für eine Marke Werbung machen möchtest?

Ich gehe danach, was die Firmen bezahlen. Es macht mehr Spaß, wenn ich weiß: Die bezahlen mich gut. Bei besser bezahlten Kooperationen bin ich meistens kreativer und gebe mehr Gas. Ich gehe auch oft mit, wenn ich weiß, dass die Firma bekannt ist. Ich kenne den Namen, ich habe sie schon öfter auf Instagram gesehen. Wenn ich eine Firma noch nie gesehen habe oder nicht gut kenne, bin ich eher skeptisch und sage ab.

Wie informierst du dich über ein Produkt, das du nicht gut kennst?

Ich gucke mir auf der Internetseite das Impressum an. Ich google die Geschäftsführer, gucke, ob es eine GmbH ist. Ansonsten bin ich gut mit anderen Kollegen oder Managements vernetzt, sodass ich da nachfrage: Kennt ihr die Firma? Ist alles gut gewesen? Ich kenne aber die meisten Firmen, die mich anfragen.

Wie lange testest du ein Produkt?

Ungefähr zwei Wochen. In den meisten Fällen ist das Produkt gut.

Influencer verdienen ihr Geld vor allem durch Produktwerbung. Foto: pexels.com/Los Muertos Crew

Bekommst du ein Briefing geschickt?

Ja, ich kriege immer ein Briefing. In der Regel sind die Firmen locker. Im Briefing steht, um welches Produkt es geht und was No-Gos sind. Wie das Produkt ausgesprochen wird, was ich verlinken soll und ein paar weitere Infos. Aber es gibt auch Firmen, die schreiben wirklich: „Sag das bitte so und so. Sag das nicht so.“ Gerade bei Nahrungsergänzungsmitteln ist das ein Thema, weil ich keine Heilversprechen machen darf. Dann ist es meistens so, dass ich die Story vorher drehen muss und es eine Abnahme gibt. Das heißt, ich muss sieben Tage vorher die Story hinschicken. Dann guckt die Firma sich das an und sagt entweder: „Ja.“ Oder: „Mach das nochmal.“

Hast du manchmal Probleme beim Briefing, weil die Formulierung nicht mehr so ist, wie du es sagen würdest?

Ja, das schon. Aber ich verstehe auch die Firma. Wenn ich von mir persönlich spreche, bin ich super locker mit irgendwelchen Aussagen und achte nicht ganz genau darauf, wie man es ausspricht. Der Firma ist es wichtig oder es hat einen rechtlichen Hintergrund, dass manche Dinge nicht so gesagt werden.

Hast du keine Angst, dass du dann weniger authentisch bist?

Nein, mittlerweile ehrlich gesagt nicht mehr. Ich mache das jetzt schon seit fünf Jahren und ich sehe die Kooperationen als Job, einen Werbevertrag. Das, was ich außerhalb von Kooperationen mache, ist natürlich authentisch und das bin ich. Die Kooperationen sind einfach die Bezahlung, die es mir ermöglichen, den Rest zu machen.

Spürst du Verantwortung deiner Community gegenüber?

Ja. Es ist vorgekommen, dass ich Werbung für eine Firma gemacht habe und danach schrieben mir Follower: „Die haben einen superschlechten Kundenservice. Ich habe mein Geld nicht zurückgekriegt.“ Ich habe die Kooperation beendet und mich persönlich um die Fälle gekümmert. Ich habe gesagt: „Schick mir deine Kundennummer. Ich supporte das und kümmere mich darum, dass du deine Sachen bekommst.“ Das ist das Schöne, wenn du nicht so viele Follower hast. Bei 60.000 siehst du so gut wie jede Nachricht.

Wie Influencer-Werbung auf uns wirkt

Dr. Sören Köcher hat eine Vertretungsprofessur für Marketing an der TU Dortmund. Hier erzählt er, warum der Beziehungsaufbau zwischen Follower*innen und Influencer*innen für das Marketing entscheidend ist.

Was ist der Unterschied zwischen klassischer Werbung und Influencer-Werbung?

Bei klassischer Werbung habe ich eine hohe Reichweite, allerdings nur eine geringe Zielgruppengenauigkeit. Influencer teilen Inhalte zu bestimmten Themenbereichen, zum Beispiel Fashion, Lifestyle oder Kosmetik. Ihnen folgen daher Personen, die ähnliche Interessen haben. Wenn ich ein Unternehmen bin, das in einer gewissen Branche tätig ist, kann ich daher mithilfe von Influencern ohne große Streuverluste meine Zielgruppe erreichen. Meiner Meinung nach ist das der Hauptunterschied. Ein weiterer Unterschied ist das starke Vertrauen, das Follower in Influencer haben.

Sören Köcher hat eine Vertretungsprofessur für Marketing an der Technischen Universität Dortmund. Foto: Jana Dünnhaupt, OVGU Magdeburg

Was von beiden ist effektiver?

Wer eine sehr hohe Reichweite erzielen möchte, der ist wahrscheinlich mit klassischer Werbung besser dran. Wer aber Zielgruppengenauigkeit erreichen möchte, für den ist Influencer-Marketing eine gute Alternative. Bei den klassischen Werbeformen handelt es sich um einseitige Kommunikation. Das heißt, das Unternehmen strahlt eine Botschaft aus und es gibt kein Feedback. Beim Influencer-Marketing ist es anders, zumindest bilden wir uns das ein. Wir empfinden die Werbung nicht so, als komme sie von einem Unternehmen. Wir glauben, dass eine Person, die wir gut kennen, uns etwas empfiehlt. Influencer posten nicht nur Werbung, sondern auch Inhalte aus ihrem Leben. Dadurch entsteht das Gefühl, eine Art Beziehung zu führen. Das nennt sich parasoziale Beziehung. Es ist keine gewöhnliche Beziehung, denn der Influencer kennt natürlich nicht jeden seiner Follower. Andersherum ist es aber so, dass die Follower die Influencer kennen, denen sie folgen. Das Phänomen, dass manche Leute einen größeren Einfluss als andere Leute haben, ist übrigens nicht neu. Das wurde schon vor 50 bis 60 Jahren aufgedeckt.

Was ist das für ein Phänomen?

Das nennt sich two step flow of communication. Das heißt, eine Botschaft geht an die Opinion Leader, also Meinungsführer, die dann die Informationen in ihren Netzwerken verteilen. Im Freundeskreis kenne ich jemanden, der sich besonders gut mit Handwerksgeräten auskennt. Der ist für mehrere Freunde im Freundeskreis der Ansprechpartner. Das heißt, er ist der Meinungsführer in dem Bereich. Das Konstrukt Influencer-Marketing funktioniert ähnlich, nur dass durch die sozialen Medien eine viel größere Reichweite erzielt werden kann. Die Idee, einflussreiche Personen zu kontaktieren, die Botschaften im Namen von Unternehmen verbreiten, ist also nicht neu. Nur die Reichweite, die diese Leute erzielen können, die ist neu.

Lassen sich Menschen durch Influencer-Werbung mehr beeinflussen als durch klassische Werbung?

Auf jeden Fall. Das hängt damit zusammen, dass wir Influencern stärker vertrauen als Unternehmen. Wenn eine Kommunikationsbotschaft von einem Influencer ausgesendet wird, vertraue ich dem Inhalt mehr als der Kommunikationsbotschaft eines Unternehmens. Das liegt auch daran, dass ich diese Beziehung aufgebaut habe.

Gibt es Gefahren, die von Influencer-Werbung ausgehen können?

In erster Linie kann es sein, dass wir Geld für Sachen ausgeben, die wir gar nicht brauchen oder die vielleicht doch gar nicht so gut sind, wie der Influencer versprochen hat. Zudem kann es passieren, dass ein sozialer Vergleichsprozess stattfindet. Das heißt, ich vergleiche mich und mein Leben mit dem Leben des anderen. Das kann auch dazu führen, dass ich vielleicht weniger zufrieden mit meinem Leben bin, weil es nicht so spannend ist wie das des Influencers, der um die Welt reist, in den besten Hotels lebt und das beste Essen isst. Das kann möglicherweise einen Effekt auf die mentale Gesundheit der Follower haben. Aber das ist ein Phänomen, das wir in Sozialen Netzwerken allgemein beobachten und nicht nur explizit im Zusammenhang mit Influencer-Werbung.

 

Beitragsbild: pexels.com/Plann

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