Kostenlose FFP2-Masken: Sinnvolle Corona-Maßnahme oder Schnellschuss der Regierung?

Menschen, die zur Corona-Risikogruppe gehören, bekommen in Apotheken kostenlos FFP2-Masken. Klingt erst einmal gut, doch in der Praxis gibt es viele Probleme.

Menschen, die zur Corona-Risikogruppe gehören, bekommen in Apotheken kostenlos FFP2-Masken. Für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein wichtiger Schritt zur Pandemiebekämpfung, doch die Kritik ist groß. Wer entscheidet eigentlich, wer zur Risikogruppe gehört? Funktioniert die schnelle Herausgabe der Masken? Und schützen sie wirklich vor einer Ansteckung? Die Fakten zur aktuellen Debatte.

Seit 8 Uhr morgens kommen Dortmunder*innen in die Apotheke von Christian Ester in der Hansastraße. Risikopatient*innen bekommen hier kostenlos drei zertifizierte FFP2-Masken. Die Schlange vor der Tür ist lang. Obwohl Ester und sein Team an diesem Morgen zu viert sind, kommen sie mit dem Austeilen nicht hinterher. Für den ersten Ansturm hat der Apotheker 2.000 zertifizierte Masken bekommen, geordert hat er aber noch viel mehr. Die aktuelle Lage erfordert es: Das Robert-Koch-Institut meldet in der Vorweihnachtszeit die höchsten Neuinfektionszahlen.

Ester hat vor ein paar Tagen über die Medien erfahren, dass es kostenlose FFP2-Schutzmasken für Risikopatient*innen in Apotheken geben soll. War das mit den Apotheker*innen abgesprochen? Fehlanzeige

Es war ein Schnellschuss von Herrn Spahn, der natürlich auch uns überrascht hat, weil wir ja für Kontrollen sind, die nachvollziehbar sind.

Missbrauch ist nicht ausgeschlossen

Einen Anspruch auf Schutzmasken hat man, wenn man mindestens 60 Jahre alt ist oder bestimmte Vorerkrankungen hat. Das Alter lässt sich relativ leicht kontrollieren: In Esters Apotheke muss jeder seinen Personalausweis vorlegen. Doch Vorerkrankungen kann der Apotheker nur bedingt überprüfen. Seine Zwischenlösung: Wer eine Maske will, muss schriftlich versichern, dass er zur Risikogruppe gehört.

Diese Menschen gehören zur Risikogruppe
Neben dem Alter legt das Bundesgesundheitsministerium folgende Riskofaktoren fest:

  • chronisch obstruktive Lungenerkrankung oder Asthma,
  • chronische Herzinsuffizienz,
  • chronische Niereninsuffizienz Stadium vier oder höher,
  • Demenz oder Schlaganfälle,
  • Diabetes Typ 2,
  • Krebserkrankungen oder Chemo- oder Radiotherapien,
  • Organ- oder Stammzellentransplantationen,
  • Trisomie 21,
  • Risikoschwangerschaft.

Ester kritisiert das aktuelle Verfahren zur Maskenausgabe. Sein Team arbeitet zwar nach bestem Gewissen, aber eine kontrollierte Verteilung ist trotz Eigenauskunft und Personalausweis-Kontrolle nicht gewährleistet. Es ist gut möglich, dass Risikopatient*innen verschiedene Apotheken aufsuchen und sich mehr als drei Masken holen. Wenn man mehr Zeit gehabt hätte, wäre es sinnvoller, unter anderen Bedingungen Masken in Umlauf zu bringen“, sagt Ester. Aber die Ausgabe, wie sie jetzt läuft, ist der Situation geschuldet.“

Kritik: Warum werden die FFP2-Masken nicht zugeschickt? 

Doch warum müssen Risikopatient*innen, die möglichst zu Hause bleiben sollen, vor Apotheken Schlange stehen, um Schutzmasken zu bekommen? Kritiker*innen sagen, man hätte den Menschen die Masken zuschicken sollen. FDP-Vize Wolfgang Kubicki kritisiert:

Leider klingt es wie Realsatire, wenn Gesundheitsminister Spahn die Risikopatienten jetzt aufruft, in den Apotheken ihre drei FFP2-Masken abzuholen, während das Land in den harten Lockdown geht.

Spahn: FFP2-Masken sind kein Freifahrtschein

Aber schützen FFP2-Masken überhaupt vor einer Corona-Ansteckung? Auch FFP2-Masken bieten keinen hundertprozentigen Schutz vor dem Coronavirus“, sagt Bundesgesundheitsminister Spahn. Sie sind kein Freifahrtschein dafür, unachtsam zu sein.“ Trotzdem hält Spahn die kostenlose Ausgabe für richtig.

Sie senken die Gefahr für eine Ansteckung erheblich. Und diejenigen in der Gesellschaft damit zu versorgen, die besonders von dieser Pandemie betroffen sind – das sollte es uns allen Wert sein.

FFP2-Masken müssen bei einem Test mindestens 94 Prozent der Aerosole filtern. Sie bieten daher nachweislich einen wirksameren Schutz als etwa Stoffmasken.

AWO fordert wirksame Schutzausrüstung

Während in Dortmunds Apotheken fleißig Masken verteilt werden, kritsiert die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die FFP2-Masken des Gesundheitsministeriums. Elke Hammer-Kunze, stellvertretende Geschäftsführerin des AWO-Bezirksverbands Westliches Westfalen, bezeichnet die gelieferten Masken als „mangelhaft“:

Das Gesundheitsministerium hat uns FFP2-Masken zugesagt. Die ersten Lieferungen, die unsere Seniorenzentren in den vergangenen Tagen erreicht haben, sind aber unbrauchbar.

Die AWO schreibt, dass das Gesundheitsministerium die Masken als eiserne Reserve für den Notfallgebrauch in Mangelsituationen“ sehe. In einem Test der Prüfgesellschaft Dekra seien die gelieferten Masken aber durchgefallen. Seniorenzentren seien neben den Krankenhäusern die am stärksten betroffenen Einrichtungen der Pandemie. „Wir sind auf gesunde Mitarbeitende angewiesen, um Pflege unter schwierigsten Bedingungen zu stemmen und brauchen jeden einzelnen!“, so Hammer-Kunze.

Ausgabe ab Januar über die Krankenkassen

Menschen, die zur Corona-Risikogruppe gehören, bekommen in Apotheken kostenlos FFP2-Masken. Klingt erst einmal gut, doch in der Praxis gibt es viele Probleme.
Zertifizierte FFP2-Maske, Foto: Julian Hirmke

Apotheker Ester gibt nur zertifizierte Masken aus, ganz konkret sogenannte partikelfiltrierende Halbmasken, die von der EU zugelassen sind. Diese kann man unter anderem an einer  vierstelligen CE-Kennzeichnung sowie einer EN-Nummer, die Auskunft über die jeweilige europäische Norm gibt, erkennen. Menschen, die nicht zur Risikogruppe gehören, können FFP2-Masken bei Ester kaufen.

Im Januar soll die Ausgabe über die Krankenkassen erfolgen. Bedürftige bekommen dann nach einer Prüfung fälschungssichere Gutscheine zugeschickt. Aber ob die Risikopatient*innen die Masken weiter selbst in den Apotheken abholen müssen, ist noch ungewiss. Apotheker*innen wie Christian Ester müssen mit den Verteilungsschwierigkeiten bis auf weiteres selbst fertig werden.

Teaser- und Beitragsbild: Julian Hirmke

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