Ab ins All: Warum Robert auf den Mars – und nie wieder zurück will

Für viele ist schon das Auslandssemester ein spannender Schritt. Was, wenn das Traumziel nicht Barcelona oder Paris, sondern ein fremder Planet ist? Robert Schröder will genau das. Der 30-Jährige plant zum Mars zu fliegen und nie wieder zurückkommen.

KURT: Robert, Du bist seit 2013 bei Mars One, einer Stiftung, die Menschen auf den Mars schicken möchte. Wie bist Du darauf gekommen, Dich dort zu bewerben?

Robert Schröder: Ich habe Anfang 2013 einen Clip im Fernsehen gesehen, in dem vom Projekt berichtet wurde. Schon als Kind wollte ich immer ins All. Vermutlich hat Star Wars damals mein Interesse daran geweckt. Der Wunsch, als Bastler und Erfinder rauszugehen, ist durch Mars One wiederaufgekommen. Ich habe mich vor der Bewerbung intensiv informiert und mich beworben, ehe ich bereut hätte, es nicht getan zu haben.

KURT: Wenn Du schon als Kind Astronaut werden wolltest, wieso hast Du es dann nicht auf dem herkömmlichen Weg versucht?

Robert Schröder: Als ich als Kind in den Weltraum reisen wollte, sind nur Amerikaner und Russen dorthin gekommen. Da hat sich mein Traum, Astronaut zu werden, zerschlagen. Außerdem mussten Astronauten entweder mehrere Doktortitel haben oder hervorragende Piloten sein. Deshalb habe ich mich nicht bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA beworben. Mein Traum kam erst wieder mit Mars One auf.

Was ist Mars One?
Mars One ist eine private niederländische Stiftung, die von 2031 an Menschen auf den Mars schicken möchte. Sie wurde vom Unternehmer Bas Lansdorp gegründet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen dort eine Siedlung bauen. Sie bekommen ein One-Way-Ticket zum Mars, eine Rückkehr ist ausgeschlossen. Ob diese Entscheidung ethisch ist, steht in der Diskussion. Zunächst war das Ziel, im Jahr 2022 die ersten Menschen zum Mars zu schicken. Der Starttermin wurde verschoben.

KURT: Zurzeit studierst Du Informationssystemtechnik und davor hast Du Elektrotechnik studiert. Hilft Dir das bei Mars One?

Ganz nach oben: Robert Schröder möchte seinen Kindheitstraum leben und eine Zivilisation auf dem Mars gründen. Bild: Robert Schröder.

Robert Schröder: Die Teams sollen so geschult werden, dass sie auf dem Mars alles Mögliche erreichen können. Die ersten Teams werden verstärkt technisch ausgebildet. Elektrotechnik ist etwas, das man definitiv auf dem Mars braucht. Mit meinem Studium könnte ich im Team auf dem Mars in diesem Bereich arbeiten. Programmieren gehört dazu. Dann müsste ich in dem Feld nicht mehr so viel dazulernen und könnte den anderen zeigen, wie diese Dinge funktionieren. Ich habe mein Studium aber nicht wegen Mars One aufgenommen.

KURT: Was ist dein Antrieb, auf den Mars zu fliegen?

Robert Schröder: Ich möchte auf dem Mars etwas schaffen, das bleibt. Ich habe den Drang zu forschen und zu entdecken, um die Menschheit voranzubringen. Das ist mein Ziel. Außerdem bietet mir das Projekt die Möglichkeit, das zu machen, was mir Spaß macht.

KURT: Wie haben deine Eltern auf deinen Plan reagiert? Du bekommst ja nur ein One-Way-Ticket zum Mars und kehrst nicht mehr zurück, wenn Du einmal im All bist. So ist es bei Mars One aus Kostengründen vorgesehen.

Robert Schröder: Meine Eltern waren nicht sonderlich glücklich. Sie möchten mich hier auf der Erde behalten. Es wäre für sie vermutlich einfacher, wenn ich wieder zurückkommen würde. Bisher gab es noch keinen großen Streit. Da ich aktuell noch nicht in der Ausbildung bin, ist mein Plan noch kein großes Thema. Ich habe meinen Eltern gesagt, dass Mars One mein Traum ist. Ich war schon immer ein Sturkopf und habe versucht, meine Ziele durchzusetzen.

KURT: Und wie sieht es mit deinen Freundinnen und Freunden aus?

Robert Schröder: Ganz unterschiedlich. Die meisten Menschen kennen das Projekt nicht wirklich. Deswegen muss ich erst einmal erklären, was Mars One ist. Dabei sehe ich meist schon, ob diejenigen die Idee gut finden oder nicht. Der überwiegende Teil meiner wirklich guten Freunde möchte nicht, dass ich fliege. Sie wissen, dass ich dann für immer weg wäre. Aber ein kleiner Teil unterstützt mich auch dabei. Es hat mir niemand deswegen die Freundschaft gekündigt. Ich möchte den Kontakt auch nicht abbrechen. Im All kann man auch kommunizieren – jedoch nur über Botschaften.

KURT: Wie wäre das möglich? Du bist ja auf einem anderen Planeten.

Robert Schröder: Per Satellit werden Signale verschickt. Über der Mars-Basis wird einer davon fliegen, sowie um die Sonne und über der Erde. Die Satelliten spiegeln die Kommunikation. Es gibt eine Zeitverzögerung zwischen 3 und 22 Minuten. Um wechselseitige Kommunikation zu erreichen, würde es also mindestens 44 Minuten dauern. Beim Chatten wartet niemand so lange auf eine Antwort. Natürlich müssen wir die Gespräche reduzieren. Vor allem am Anfang werden wir nicht die Möglichkeit haben, ständig auf unser Handy zu sehen, weil wir viel aufzubauen haben.

Ich möchte unbedingt einen Badminton-Schläger mitnehmen

KURT: Was wirst Du am meisten an der Erde vermissen?

Robert Schröder: Meine Familie – meine Eltern und Geschwister. Und ich werde das Essen vermissen. Hier gibt es eine große Vielfalt und auf dem Mars vielleicht zehn verschiedene Pflanzensorten und Insekten. Wir haben keinen Supermarkt, in dem man sich zum Beispiel Käse-Sticks kaufen kann.

KURT: Wie versorgt ihr Euch denn auf dem Mars?

Robert Schröder: Auf dem Hinflug gibt es Trocken- beziehungsweise Tubennahrung, wie auf der Internationalen Raumstation ISS. Auf dem Mars bauen wir dann Gewächshäuser auf. Wir haben Vorräte dabei, sodass die Versorgung erstmal gedeckt ist. Im Notfall bekommen wir Essen geschickt. Dies ist alle zwei Jahre möglich, nämlich dann, wenn sich die Planeten zueinander bewegen. So spart man Treibstoff. Unser Hauptziel ist es, uns über unsere Gewächshäuser zu ernähren. Insekten werden auch eine Rolle spielen, um an Proteine zu gelangen. Wir möchten so schnell wie möglich autark werden. Wenn irgendetwas passiert, kann die Erde ja schließlich nicht einfach einen Krankenwagen hochschicken. Eine Reise zum Mars dauert zurzeit sechs bis acht Monate. Die medizinische Versorgung läuft auch über uns selbst. In einem Viererteam müssen sich zwei Menschen tiefgreifend auf diesem Gebiet auskennen. Damit einer von ihnen die Crew betreuen kann, wenn der andere krank ist.

Hier seht Ihr das Bewerbungsvideo von Robert: 

KURT: Dürft ihr auf der Reise Andenken mitnehmen?

Robert Schröder: Ich denke, das wird begrenzt möglich sein. Ich möchte unbedingt ein paar Fotos mitnehmen und einen Badminton-Schläger.

KURT: Nur als Andenken oder um Sport zu machen?

Robert Schröder: Ich möchte schon Sport treiben, was durch die geringere Anziehungskraft und den mangelnden Raum in der ersten Zeit nicht möglich sein wird. Wir leben und essen in Röhren ohne große Räume. Wenn wir unterirdische Höhlen erforschen, die wesentlich mehr Platz haben, finden wir vielleicht einen Platz dafür. Vielleicht kann man auch mit Mars-Anzügen Sport treiben, aber die sind mit Sicherheit bewegungseinschränkend.

KURT: Hast Du keine Angst vor den Risiken?

Robert Schröder: Ich glaube, wenn die Rakete beim Start explodiert, ist es weniger schlimm, als wenn etwas Ungeahntes passiert und der Flug ins Leere geht. So etwas kann man nicht im Detail trainieren. Allerdings habe ich noch nie an meiner Entscheidung gezweifelt. Auf dem Mars gibt es nicht die Atmosphäre, die Menschen zum Leben brauchen. Und wenn es in unseren Behausungen Lacks gibt, müssen wir die abdichten. Das wird das größte Problem sein. Das ist wie im U-Boot, da hat man unter Wasser auch nur eine gewisse Zeit zu reagieren. Ich denke, dass wir in so einem Fall funktionieren und nicht groß nachdenken werden.

KURT: Kannst du jederzeit bei Mars One aussteigen?

Robert Schröder: Ja, aussteigen kann man immer. Ob ich aussteige, hängt bei mir davon ab, ob ich eine Familie gründen möchte. Das ist aber aktuell kein Thema. Auch hängt es davon ab, ob ich der Technik vertraue, die ich in der Ausbildung kennenlerne.

KURT: Wann beginnt die Ausbildung?

Robert Schröder: Wenn ich in den nächsten zwei Runden weiterkomme, sollte sie vermutlich Ende des Jahres starten. Davor gibt es noch Gruppenkämpfe mit Challenges, die man im Team lösen muss. Hier zeigt sich, wer teamfähig ist. Das Team, das am schnellsten mit den Aufgaben fertig wird, bleibt für den nächsten Wettkampf bestehen. Bisher habe ich in den Bewerbungsrunden ein Video aufgezeichnet, Fragen beantwortet, meinen Lebenslauf eingereicht, mich ärztlich untersuchen lassen und ein Interview vor dem Expertenteam von Mars One gegeben.

KURT: Und in Teams reist ihr dann ja auch zum Mars. Wie wird das genau aussehen?

Robert Schröder: Es fliegt immer ein Team, das aus vier Menschen besteht. Deshalb versuchen die Bewerber, sich schon früh zu finden. 2031 soll das erste Team starten, alle zwei Jahre soll dann ein neues dazukommen.

KURT: Wie entscheidet sich, welches Team als erstes fliegt?

Robert Schröder: Bislang soll es in der Ausbildung insgesamt sechs Teams geben. Es gibt jährlich neue Auswahlverfahren um Teams zu ersetzen, die im Auswahlprozess rausfallen können. Das Ganze wird dann durch die Medien begleitet. Es soll eine Art Dokumentation entstehen, bei der die Menschen entscheiden, welches Team als erstes fliegt. Dieser Teil wäre dann interaktiv. So können die Menschen auf der Erde später entscheiden, wer sie als menschlicher Botschafter auf dem Mars vertreten wird.

KURT: Um später als Gruppe zusammen leben zu können, ist es wichtig, sich gut zu kennen. Wie ist das bei Dir: Kennst du alle Kandidatinnen und Kandidaten?

Robert Schröder: Unser letztes großes Treffen hatten wir in Los Angeles. Da waren circa 25 Kandidaten dabei. Allerdings war alles privat organisiert. Wir haben in einer Fabrikhalle geschlafen und waren zusammen unterwegs. Ich habe in Darmstadt ein Treffen organisiert, bei dem die europäischen Kandidaten zusammengekommen sind. Ich kenne somit etwa ein Drittel, zumindest vom Sehen.

KURT: Ihr plant gemeinsam ins All zu fliegen und dort irgendwann zu sterben. Schweißt das besonders zusammen?

Robert Schröder: Es ist ein schönes Gefühl, dass man ein gemeinschaftliches Ziel hat. Man hat einen ähnlichen Antrieb und jeder weiß, dass man tolerant sein sollte. Alles hängt von den Gruppen ab. Hier können sich die Kandidaten selbst zusammenfinden. Zugeteilt wird man nicht direkt, die Initiatoren sorgen aber für eine Gewisse Vielfalt. Bei den Vorgaben steht dann zum Beispiel „Europäer zwischen 25 und 30“. Es geht darum, dass Menschen zum Mars kommen, die dort für immer miteinander leben. Da ist es von Vorteil, wenn sie sich mögen und gut verstehen. In Isolationsphasen und in der Ausbildungsphase sind die Teilnehmer jeweils in Vierergruppen unterwegs, immer mit zwei Frauen und zwei Männern. In dieser Konstellation würde man dann auch zum Mars fliegen. In den Isolationsphasen lebt und arbeitet man in diesem Team zwei bis drei Monate, um herauszufinden, ob die Gruppen zusammenpassen. Wenn es Konstellationen mit Spannungen gibt, wird das Team herausgenommen.

KURT: Hast du zu den Kandidatinnen und Kandidaten regelmäßig Kontakt?

Robert im Mars-One-Outfit beim 2bAHEAD Zukunftskongress in Wolfsburg. Foto: Liz Parrish.

Robert Schröder:Ja, zu ein paar. Vor ein paar Monaten haben mich auch Kandidaten hier in Darmstadt besucht aus LA und England. Dadurch findet man heraus, ob man zusammen etwas leisten kann. Man sollte sich mit jedem treffen, um zu gucken ob es jemanden gibt, der besser zu einem passt. So gibt es auch vereinzelt Kandidaten, die durch die Welt reisen und Kandidaten kennen lernen.

KURT: Auf dem Mars sollt ihr zusammen eine Siedlung gründen. Gibt es dort Gesetze zur Verhütung oder sollt ihr Euch dort fortpflanzen und verlieben?

Robert Schröder: Es gibt noch keinen derartigen Mars-Manifeste oder Gesetze. Es gibt bereits Fassungen, die aber noch von den Menschen unterschieben werden müssten, die auf dem Mars leben. Es steht fest, dass wir in der ersten Zeit keine Kinder bekommen dürfen, da würden wir uns und auch die Kinder zu großen Risiken aussetzen. Erstmal ist das Überleben selbst wichtig. Wenn die Zeit gekommen ist, kann man vielleicht auch über Kinder nachdenken.

KURT: Wird bei der Zusammensetzung der Teams auch darauf geachtet, wer sich später zusammen fortpflanzen möchte? Und kommt es bei einer geringen Besiedlung auf dem Mars nicht irgendwann zu Inzest?

Robert Schröder: Wenn die Kandidaten nicht zueinander passen, können sie es auch nicht ein Leben lang miteinander aushalten. Bei der Auswahl der Teams wird aber nicht geschaut werden, wer sich besser mit wem fortpflanzen kann. Meiner Meinung nach ist es am besten eine genetische Vielfalt in Form von Eizellen und Spermien mitzunehmen und die Fortpflanzung über den Weg der künstlichen Befruchtung anzugehen. Inzest ist für mich ein No-Go.

KURT: Viele Kritikerinnen und Kritiker halten es für unethisch, dass ihr nicht die Möglichkeit habt zurückzukehren: Was hältst Du vom One-Way-Ticket?

Robert Schröder: Wir wollen auf dem Mars etwas erschaffen was Bestand haben wird: Eine Siedlung. Wenn man ein Haus baut, macht man das ja auch meist, weil man sich dort niederlassen möchte. Deshalb halte ich das One-Way-Ticket für positiv.

Beitrags- und Teaserbild: Wake Up Freeman, lizenziert durch CC BY-NC 2.0.


Hier erfahrt Ihr, wie sich Ex-Astronaut Ulrich-Walter zum Vorhaben von Mars One äußert: 

Amateure auf dem Mars?

Mit einer privaten Stiftung ohne Vorerfahrung auf den Mars fliegen? Und das ohne Rückkehr? Kritikerinnen und Kritiker der Mission „Mars One“ sagen, dass das Projekt für die Teilnehmenden den sicheren Tod bedeutet.

„Wenn ich zum Mars fliege, weiß ich, dass ich vor zweieinhalb Jahren nicht mehr zurückkehren kann. Wenn mir da etwas passiert, bin ich tot“, sagt Professor Doktor Ulrich Walter. Der 64-Jährige lehrt Raumfahrttechnik an der TU München und war selbst NASA-Astronaut und 1993 Teil der Besatzung des Space-Shuttles „Columbia“. Walter ist einer der Kritiker des umstrittenen Projektes „Mars One“, das von 2031 an Menschen auf den Mars schicken möchte. Mars One ist eine private niederländische Stiftung, die von dem Unternehmer Bas Lansdorp gegründet wurde.

Ein Flug zum Mars unterscheidet sich laut Walter enorm von einem Flug zum Mond. „Der Mond ist nur 380.000 Kilometer entfernt, wenn etwas passiert, ist man in zwei Tagen wieder zurück“, sagt er. Dies sei im Falle eines Flugs zum Mars nicht möglich, weil man für die Rückkehr zwischen 200 Tagen und zwei Jahren brauche. Mars One sieht eine Rückkehr aus Kostengründen nicht vor, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten lediglich ein „One-Way-Ticket“.

Ein Kritikpunkt auch für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR): Für das Forschungszentrum muss Wissensgewinn durch Forschung immer mit ethischen Formen verbunden sein, sagt Andreas Schütz, Pressesprecher vom DLR. Dies bedeute für Mars One, die Rückkehr der Mannschaft zu gewährleisten. Bei diesem Projekt sei das anders, die Mannschaft ist sich selbst überlassen, weshalb sich das DLR aus ethischen Gründen nicht beteiligt.

Die Stiftung Mars One schreibt auf ihrer Website, dass sie es durchaus für ethisch halte, eine One-Way-Mission anzustreben. Sie schließt nicht aus, dass es den Astronauten irgendwann möglich ist, auf dem Mars eine Rakete zu bauen und zurückzufliegen. Mars One vergleicht die Mission mit Auswanderungsbewegungen: „Tausende Europäer haben ihren ganzen Besitz genommen und sind zum Beispiel nach Australien emigriert.“ Zwar sei die Rückfahrt mit Booten möglich gewesen, aber das habe nicht bedeutet, dass die Emigrantinnen und Emigranten es sich leisten konnten, damit zu fahren. „Vielleicht konnten sie sich ein Ticket kaufen, nachdem sie ein paar Jahre gespart hatten – genauso wie unsere Astronauten nach einiger Zeit eine Rakete bauen könnten“, schreibt die Stiftung.

„Die Kandidaten sind innerhalb von drei Monaten tot“

Ex-Astronaut Ulrich Walter geht von einigen Hauptrisiken aus, die beim Hin- und Rückflug zum Mars auftreten können. Erstens könnte die Rakete bei der Landung auf dem Mars zerschellen. Dass dies durchaus üblich sei, zeige die ExoMars-Mission, die die Europäische Weltraumorganisation ESA mit der russischen Weltraumorganisation Roskosmos 2016 durchgeführt hat. Mit der Mission wollten die Weltraumorganisationen untersuchen, ob es auf dem Mars Leben gab oder gibt. Dabei wurde eine Sonde mit einem Fallschirm heruntergelassen und zerschellte. „Das ist der Normalfall, denn am Anfang funktioniert nie alles hundertprozentig“, sagt Walter. Damit müsse auch Mars One rechnen. Die Wahrscheinlichkeit, mit der heutigen Technologie sicher auf dem Mars zu landen, schätzt er für die NASA auf 50 Prozent. Bei Mars One geht er lediglich von zehn Prozent aus. Der frühere Raumfahrer rechnet damit, dass innerhalb der ersten drei Monate entweder der Marsanzug ein Leck bekommt oder eins der Lebenserhaltungssysteme ausfällt. Diese Systeme versorgen die Astronautinnen und Astronauten mit Sauerstoff. „Und weil sie nichts dagegen machen können, sind die Kandidaten innerhalb von drei Monaten tot. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach drei Monaten noch leben, liegt im niedrigen Prozentbereich“, sagt Walter.

Mars-One-Kandidat Robert Schröder ist optimistisch: „Unsere Überlebenschancen werden ganz gut sein, denke ich. Es ist ja auch so, dass wir die Technologie von Unternehmen nutzen werden, die erfahren sind.“ Auf ihrer Website schließt die Stiftung das Auftreten von Risiken, wie Erkrankungen und Schädigungen des Raumanzugs, nicht aus. Auch zählt die Stiftung eine Reihe von Komplikationen auf, die auf der Reise entstehen können. Mars One wolle die Rakete „dutzende Male“ unbemannt testen.

Wir haben Mars One mit den genannten Vorwürfen konfrontiert. Die Stiftung hat sich bis zum Redaktionsschluss nicht zu der Kritik geäußert. Laut Ulrich Walter kann Mars One nicht für jedes Teil der Lebenserhaltungssysteme die passenden Ersatzteile mitnehmen und muss sich auf das Notwendigste beschränken. „Das wiederum liegt daran, dass die Rakete nicht groß genug ist. Wenn sich auf dem Mars keine ausgebildeten Elektroniker befinden, bedeutet das den Tod“, sagt er. Darauf, wie dies ethisch zu vereinbaren sei, gibt die Stiftung keine Antwort. Ein Hauptrisiko stellen, so Ulrich Walter, eben die Reparaturen von den Systemen dar, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Sauerstoff versorgen. „Man stelle sich mal vor, dass so ein System ausfällt, weil ein Sensor nicht funktioniert. Diese Systeme sind sehr kompliziert, es geht immer irgendetwas kaputt“, sagt Walter.

Hier seht Ihr Ulrich Walter in der Sendung “NZZ Standpunkte” vom 15. Mai 2015:

Reality-Show: Zusehen, wenn Menschen sterben

Die Mission soll als Reality-Show im Fernsehen ausgestrahlt werden. Dieses Vorhaben stößt ebenfalls auf Kritik. Raumfahrt-Experte Walter sagt: „Das ist Sensationspresse, und natürlich gibt es Leute, die sagen: ,Dann schau ich mir mal an, wie die sterben.‘“ Die Mission im Fernsehen auszustrahlen sei allerdings eine Möglichkeit, das Projekt zu finanzieren. Aus seiner Zeit bei der NASA weiß Ulrich, dass die Medien vor einer Weltraum-Mission an einer Berichterstattung interessiert sind. Dieses Interesse würde sich allerdings nicht ein paar Jahre lang halten. Die eigentlichen Einnahmen für Mars One entstünden erst mit dem Flug zum Mars. „Dann kann der Initiator Bas Lansdorp erst das Geld erwarten. Er braucht es aber jetzt, um die Mission überhaupt finanzieren zu können“, sagt Walter. Laut Medienberichten hat Mars One bereits mit der niederländischen TV-Produktionsfirma Endemol gesprochen. Ein Vertrag sei dabei nicht zustande gekommen. Robert Schröder hat kein Problem mit dem Konzept: „Eine dokumentarische Begleitung ist für mich eine wissenschaftliche Ehre und nicht mit Formaten vergleichbar, in denen gezielt Menschen zu Auseinandersetzungen angestachelt werden.“

Experte sagt: „Mars One ist tot“

Mars One hat finanzielle Schwierigkeiten, sagt Ulrich Walter. Obwohl die Initiative durch den fehlenden Rückflug Geld spart, sind die Kosten für das Vorhaben immens. Die Organisation geht von sechs Milliarden US-Dollar für die erste Mission aus, Ulrich Walter schätzt die notwendigen Kosten auf lediglich rund eine Milliarde Euro. Das koste vor allem die Technik. Ein Landegerät und Lebenserhaltungssysteme habe die Stiftung bei der Firma Paragon entwickeln lassen wollen, Mars One sei aber das Geld ausgegangen. Deshalb seien dem Projekt nach einem halben Jahr Entwicklungsgelder entzogen worden, sagt Walter. Er hat Kontakt zu Paragon. Ulrich Walter denkt, dass Mars One die Mission nicht bezahlen können wird: „Nein, das Projekt ist tot. Es würde mich wundern, wenn die Jungs einfach ein paar hundert Millionen auftreiben. So ist es, und es ist gut so, weil es unethisch ist.“

Er habe bis auf die Anmeldegebühr sonst kein Geld für das Projekt zahlen müssen, sagt Robert Schröder. Die Anmeldegebühr sei vom Wohlstand des jeweiligen Landes abhängig, und habe in seinem Fall etwa 35 Dollar betragen.

Nach Angaben von Walter ist die Ausbildung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht ausreichend für eine Mission dieser Art: „Für so eine Mission braucht man erfahrene Leute. Das ist, als würde man einen Piloten für einen Jumbo-Jet suchen und sich einen Elektrotechnikstudenten aussuchen. Da passiert dann irgendetwas und das Ding stürzt ab.“ So würde es auch Mars One ergehen: „Deshalb brauchen sie erfahrene Astronauten und nicht so einen frischen Studenten, der keine Ahnung von Raumfahrt hat.“

Noch seien keine konkreten Inhalte zur Schulung genannt worden, sagt Robert Schröder. Der Kandidat ist zuversichtlich: „Das Training wird etwa zehn Jahre andauern. So hat jeder Kandidat auch ohne wirkliche Vorkenntnisse die Chance, mit der Crew zum Ziel zu gelangen.“

Mars One regt den Diskurs an

Das Projekt hat allerdings auch gute Seiten: Es regt zum Diskurs an. Der Mars sei das einzige lohnende Ziel der Menschheit, weil man wisse, dass er vor dreieinhalb Milliarden Jahren einen Ozean und eine dichte Atmosphäre gehabt hat, sagt Ulrich Walter. Das sei Voraussetzung dafür, dass sich Leben bildet. Die Frage „Sind wir allein im Universum?“ sei fundamental. „Das treibt die Menschheit zum Mars“, sagt Walter. Das Projekt bringe die Gründe, auf den Mars zu fliegen, wieder ins Gespräch. Walter resümiert: „Aus diesem Grund ist Mars One wiederrum gut. Aber es ist nicht gut, wie sie das Projekt umsetzen.“ Wichtige Weltraumprojekte sollten in den Händen der erfahrenen Raumfahrtorganisationen bleiben.

Bild: Kevin Gill, lizenziert durch CC BY 2.0.

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Mehr von Leonie Krzistetzko
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